Bayern 2 - Das Kalenderblatt







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8. April 2000 Babys anonym abzugeben

Babyklappen gibt es seit dem 12. Jahrhundert. Sie bieten die Möglichkeit ein Kind abzugeben, und dabei sowohl für die Gesundheit des Kindes als auch für die Anonymität der Mutter zu sorgen. Ein überholtes und archaisches Konzept? Von wegen. Moderne Babyklappen in Deutschland entstehen ab dem Jahr 2000. Autorin: Anja Mösing

Stand: 08.04.2025 | Archiv |Bildnachweis

08.04.2000: Babys anonym abzugeben

08 April

Dienstag, 08. April 2025

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Frank Halbach

Ja, klar, bei Moses war es eine Erfolgsgeschichte: Ausgesetzt mit drei Monaten, in einem sorgfältig abgedichteten Körbchen, in dem die Mutter ihr Baby Moses auf dem großen Nil davon schwimmen ließ. Nicht aus Herzlosigkeit: Sie wollte ihren kleinen Sohn vor der Ermordung retten! Die hatte der Pharao damals allen neugeborenen Söhnen der Hebräer angedroht. Und Moses Mutter hoffte, ihr Baby würde im Körbchen auf dem Nil einer besseren Zukunft entgegentreiben. Hat geklappt: Ein Held wurde Moses, den wir noch heute kennen.

Einst alltägliche Praxis

Aber erstaunlich: Ob im Alten Testament, oder in griechischen Sagen, wo nicht nur Baby Ödipus und Baby Zeus ausgesetzt wurden, rund um die Welt gibt es Erzählungen über hilflos ausgesetzte Babys. Heute könnte man denken: Klar, weil es etwas komplett Unerhörtes war, sowas braucht eine gute Story!
Leider falsch: Aussetzungsmythen spiegeln, was alltägliche Praxis war, seit es Menschen gibt. Kinder kamen einfach oft ungelegen: Weil Nahrung knapp war, weil sie zu laut waren, zu schwach, Mädchen waren oder Jungen, weil sie lebender Beweis einer Vergewaltigung waren, oder Beweis von Sex zwischen Menschen, die ihn nicht haben durften.

Und die Mütter, in denen ihr Baby neun Monate heranwuchs, hatten jahrtausendelang wenig zu sagen. In der Antike war es der Hausvater, der entschied, wer in seinem Haushalt leben oder sterben musste: Egal ob Vieh, Sklaven, Ehefrau und Kinder, oder wer sonst im Haus war. Wer verkauft, gleich nach der Geburt getötet oder ausgesetzt wurde, bestimmte allein der Hausvater.
Wer dann ein ausgesetztes Kind fand, an einer Wegkreuzung, auf einem Gemüsemarkt oder sonst wo, durfte mit dem Kind frei verfahren: egal, ob er es verkaufte oder als sein eigenes aufzog.

Schützenswerte Seelen

Das änderte sich erst, als das Christentum und damit die Idee von der unsterblichen Seele in Rom zur Staatsreligion wurde. Nun wurde sogar Neugeborenen eine schützenswerte Seele zugesprochen. Damit stand ihr kleiner Körper ab dem 4. Jahrhundert quasi unter göttlichem Schutz.
Nur wurden eben weiter Kinder geboren, die von ihren Müttern nicht behalten werden durften, oder konnten. Erst im 8. Jahrhundert eröffnete in Mailand ein erstes Findelhaus. Dort konnten verzweifelte Mütter ihre Säuglinge abgeben. Ammen wurden bezahlt, um solche Findelkinder zu stillen. Ein paar Jahre zog man sie groß, bis sie mit sieben in Stellung kamen. Einige Findelhäuser arbeiteten mit einem speziellen Ablagemechanismus, mit dem Mütter ihr Kind ungesehen ablegen konnten. Anonym also. Eine Art Dreh-Klappe durch die ein Baby ins Findelhaus gelegt werden konnte: geschützt vor Wetter und streunenden Tieren. Die Idee wurde von vielen Städten übernommen.

Als am achten April 2000 in Hamburg die erste moderne Babyklappe eröffnet wurde, war das ein Schock für viele Menschen. Keine Fragen, keine Zeugen, keine Polizei – so der Slogan des betreuenden Vereins Sternipark, ein Baby abzugeben sei immer noch besser als ein Kindsmord. Was komplett altertümlich wirkt, wird offenbar auch heute noch gebraucht.







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