12. April 1919 Das Bauhaus wird gegründet
Handwerker und Künstler sollten gemeinsame Sache machen, als Walter Gropius am 12. April 1919 das "Stattliche Bauhaus" gründete. Die neue Ästhetik gab sich schlicht, und die Weimarer gaben sich empört. Unsittlich sollte es auf dem Gelände zugehen.
12. April
Dienstag, 12. April 2011
Autorin: Gabriele Bondy
Sprecherin: Ilse Neubauer
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
"Hundefriedhof" nennen die Weimarer die Neugestaltung ihres Bahnhofsvorplatzes. In Stein gefasste Beete mit zerzaustem Ziergewächs, artig auf die Fläche verteilt. Tristesse pur. Über Geschmack lässt sich immer streiten, vor allem hinterher. Etwas optisch Ansprechenderes wäre wirklich wünschenswert gewesen. Wer den Bahnhofsplatz hinter sich hat und stadteinwärts läuft, kommt unweigerlich am "Bauhaus-Museum" vorbei. Das ist leicht zu finden und leicht zu übersehen. Goethe und Schiller - in Bronze - blicken stumm darüber hinweg. Es ist gleich dem Theater gegenüber untergebracht, im ehemaligen Kulissenhaus. Oder sagt man besser Kulissenhäuschen? Jedenfalls sind Besucher oft enttäuscht. Sie hatten sich mehr erwartet. Über ein größeres Museum wird seit Jahren heftig diskutiert. Zugegeben, das kostet Geld, ziemlich viel Geld.
Dass die Bauhaus-Epoche eine der kürzesten in der reichen Kulturgeschichte der Stadt war, sei angemerkt. Aber eine mit aufsehenerregenden Folgen, befand die Welt. Weimar später auch. Wer hätte denn auch ahnen können, dass aus der Großherzoglichen Kunstgewerbeschule mal so etwas Berühmtes werden sollte? Am 12. April 1919 bewirkte Walter Gropius die Zusammenlegung der Hochschule für Bildende Kunst mit der Kunstgewerbeschule und gründete das "Staatliche Bauhaus". Sein Ideal: das Gesamtkunstwerk, "der große Bau ohne Grenzen zwischen monumentaler und dekorativer Kunst". Schlicht gesagt: Handwerker und Künstler sollten gemeinsame Sache machen.
Mit Gropius kamen Lyonel Feininger, Johannes Itten, Gerhard Marcks, Paul Klee, Georg Muche, Oskar Schlemmer und Wassily Kandinsky. Die "Bauhäusler" setzten Zeichen, auch was Aussehen und Lebensstil betraf. Die ersten Bubiköpfe wurden in Weimar und nicht in Berlin getragen. Die Zeiten waren karg, Essen und Material knapp. Meister und Schüler erwärmten sich für vegetarische Kost, bauten so gut es ging ihr Gemüse selber an. Sie widmeten sich auch dem Atmen und der Körperharmonie. Aus alten Militärmänteln schneiderten sie die Bauhaustracht: einfach, dunkel und streng. Ein eher beängstigendes Outfit, aber strapazierfähig.
"Wenn du nicht artig bist, kommst du ins Bauhaus!" drohten Eltern ihren Kindern. Man munkelte viel. Ein Nachbar fühlte sich gar unsittlich belästigt von den "nackten Menschern", die im Atelier gegenüber ganz ungeniert abgemalt wurden. Natürlich keine Gardinen vor den Fenstern! Die Polizei stellte den beschuldigten Bauhaus-Meister zur Rede und wollte gleich zur Verhaftung schreiten, doch der hatte Aktzeichnen gar nicht im Programm. Jeder sieht eben, was er sehen will. Aber Lehrer und Schüler, nicht zu vergessen auch Schülerinnen, lebten, arbeiteten und feierten doch recht locker miteinander? Schwärmten im Mondenschein durch den Park, huldigten Glühwürmchen und Nachtigallen, ließen im Herbst die Drachen steigen. Alles was recht ist - wo blieben da Autorität und Ordnung? Beides ließ nicht lange auf sich warten. Gropius ging Hitler kam.
Nach der Wende ist das Bauhaus wieder auferstanden, buchstäblich "aus Ruinen und der Zukunft zugewandt", denn die DDR-Oberen hatten die architektonischen Reste verwohnen und verfallen lassen. Heute ist im "Musterhaus am Horn" wieder zu bestaunen, wie modernes Wohnen 1923 ausgesehen hat: klar, praktisch und schlicht. Eben zeitlos. Die Bezeichnung "klassisch" ist in Weimar schon vergeben. Im Hauptgebäude der Universität wurde das Gropius-Zimmer rekonstruiert. Ein Raum zum Arbeiten und Wohlfühlen. Die Polstermöbel sind nicht nur gelb, sondern auch bequem. Teppiche und Wandbehänge in leuchtenden Farben: orange, türkis, azur. Tische und Regale zweckmäßig.
Doch die Hochschule ist kein Museum. Hier entstehen jede Menge Ideen für unkitschige Souvenirs, pfiffiges Geschirr, postmoderne Schwimmbäder und Wohnungen. Auch für den Weimarer Bahnhofsplatz hätten sich die Kreativen von der Bauhaus-Uni etwas einfallen lassen. Aber wurden sie überhaupt gefragt?