14. September 1770 Johann Friedrich Struensee führt in Dänemark "unbeschränkte Preßfreiheit" ein
Da rücken Reformen in greifbare Nähe, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit. Doch schnell ist eine Chance vorbei, muss auch Johann Friedrich Struensee feststellen, Dänemarks Staatslenker, vorrübergehend. Autorin: Susi Weichselbaumer
14. September
Mittwoch, 14. September 2016
Autor(in): Susi Weichselbaumer
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Das Schicksal hat mitunter einen sehr eigenwilligen Humor. Hoffen und bangen heißt es erst, dann - Hurra - eingeschwenkt auf den Erfolgsweg, stetig die Straße des Sieges entlang: Wo ich bin, ist vorn! Und plötzlich: Ende Gelände. Das war´s. Statt Millionen scheffeln, stempeln gehen. Statt Ruhm und Ehre, Wasser und Brot. Hauptsache der Kopf ist noch drauf? Nicht bei jedem, nicht bei jedem - wie gesagt, das Schicksal...
Aufstrebender Arzt
Beispiel gefällig? Johann Friedrich Struensee, Pastorensohn aus Altona, fesch, jung, engagierter Arzt. Jetzt nicht denken in Richtung Halbgott in Weiß. Dreck, Müll, Gestank - Mitte des 18. Jahrhunderts sind die Städte unsauber und die Bewohner ungustiös. Struensees erster Schritt auf der Karriereleiter nimmt sich überschaubar aus: Er wird zum Chefarmenarzt von Altona ernannt, ist also der einzige Arzt, der sich um die unzähligen Mittellosen kümmern muss. Das wiederum kümmert Struensee nicht. Der patente Mann bekämpft erfolgreich Seuchen aller Art, beschreibt sogar als erster die Maul- und Klauenseuche.
Schritt zwei und drei auf der Karriereleiter ergo: schnell und steil. Erst wird Struensee zum Stadtphysikus. Dann gebietet König Christian VII., Struensee begleite ihn auf einer Europareise. Seine Majestät habe nur Gutes gehört... Altona gehört zu dieser Zeit zu Dänemark, was Dänenkönig Christian will, haben die Seinen auch zu wollen. Dass die manchmal eigentlich nicht so recht mögen, liegt simpel daran: Christian ist geisteskrank. Aufbrausend, launisch, seltsam.
Aufgeklärter Staatsmann
Struensee meistert auch diese Herausforderung, zumindest gibt er dem labilen Herrscher einen gewissen Halt. Der wiederum ernennt ihn zum Leibarzt, später zum Geheimen Kabinettsminister und Grafen. Die Staatsgeschäfte tritt der König ebenfalls an seinen Vertrauten ab. Schließlich kann Arzt Struensee genauso Politik.
Als Anhänger von Voltaire und Rousseau setzt er sofort Ideen der Aufklärung um: Abrüstung, mehr Rechte für die Bauern, Religionsfreiheit. Als Vorreiter in ganz Europa führt Struensee am 14. September 1770 die Pressefreiheit ein. Das Volk verehrt ihn!
Langsam wird das den alten Eliten zu bunt. Derartige Machtfülle? Solche Reformen? Und der verwirrte König spielt im Schlosspark mit den Bediensteten Verstecken und Hoppe Reiter? Irgendetwas wird sich da doch finden lassen -
Struensee hat zu diesem Zeitpunkt bereits gefunden, und zwar die Liebe seines Lebens. Schön, anmutig, blutjung: Caroline Mathilde von Großbritannien. Jetzt verheiratet mit Christian VII., damit Königin von Dänemark. Der König hat kein großes Interesse an ihr, gut, irgendwann wird man sich um einen Thronfolger kümmern müssen. Dass sich jedoch jetzt erst mal Struensee um seine Frau kümmert, ist Christian mehr als recht.
Struensee im Glück: Macht, Einfluss, Geld, Liebe! Alldieweil und hier sind wir nun wieder beim eigenwilligen Humor des Schicksals. Da gibt es einem vermeintlich alles, aber eben nur vermeintlich. Was Struensee fehlt, ist ein Freund, der ihn rechtzeitig warnt. Vor dem Putsch, den die alten Eliten planen. Schwupp ist der König entmachtet und hoppla hopp steht Struensee vor Gericht. Weil Affäre mit der Königin: Todesurteil. Tja, was soll man sagen. Die Wege des Schicksals sind … manchmal Sackgasse.