Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. Februar 1770 Maskenball in Soho

Eigentlich war sie Opernsängerin, in erster Linie aber doch Unternehmerin: die Italienerin Teresa Cornelys. Und sie wusste Begehren zu wecken. Zum Beispiel das von Giacomo Casanova. Und später in ihrem Carlisle House am Soho Square sogar das der gesamten vergnügungssüchtigen Londoner High Society. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 26.02.2025

26.02.1770: Maskenball in Soho

26 Februar

Mittwoch, 26. Februar 2025

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Berenike Beschle

Redaktion: Bernhard Kastner

Das Parlament machte extra früher Feierabend, damit die Gentlemen genug Zeit hatten, sich zu verkleiden. Abends verstopften Kutschen und Sänften mit kostümierten Insassen die Straßen im vornehmen Westen von London. Scharen von Neugierigen leuchteten mit Fackeln in die Vehikel und versuchten johlend, die Maskierten zu entlarven. Ziel der Parade war ein herrschaftliches Haus am Soho Square: Am 26. Februar 1770 war wieder Maskenball im Etablissement von Mrs. Cornelys. Achthundert illustre Gäste drängelten sich in den fantastisch dekorierten und illuminierten Sälen: Renaissance-Schönheiten, Dominos in allen Farben, eine indische Prinzessin in goldener Robe und ein Adam im fleischfarbenen Trikot mit Feigenblätterschürze. Der Bischof von London hatte beim König gegen das lasterhafte Treiben protestiert, aber unter einer der Larven steckte seine eigene Ehefrau.

Schickeria!

Teresa Cornelys war eine Sängerin aus Venedig, die viele Jahre lang mit mittelmäßigem Erfolg durch Europa getingelt war. Giacomo Casanova glaubte, eins ihrer Kinder gezeugt zu haben, der Vater eines anderen war vermutlich der Markgraf von Bayreuth. Oft war sie auf der Flucht vor Gläubigern und wechselte gelegentlich ihren Namen. Cornelys nannte sie sich, als sie 1759 in London erschien, wo ihre Konzerte kläglich floppten. Aber sie hatte eine andere Idee. Mit geliehenem Geld mietete sie Carlisle House, eine ehemals gräfliche Residenz, und eröffnete, was man den ersten Schickeria-Nachtclub von London nennen könnte: sie veranstaltete opulente Bälle, exklusiv für die High Society.

Es war ein grandioser Erfolg. Nach der ersten Saison kaufte sie das Haus und baute einen großen Ballsaal an. Zwölf Jahre lang war Teresa Cornelys die Königin des Londoner Nachtlebens.
Eine Zauberin sei sie, schwärmten ihre Gäste, und ihr Haus ein Feenpalast. Auf ihren Bällen tanzten die Brüder des Königs und zu Besuch weilende ausländische Monarchen. Es gab einen Schwarzmarkt für Eintrittskarten, und Partycrasher versuchten, an den Türstehern vorbeizukommen. Beliebt waren auch die diskreten Privatzimmer in den oberen Etagen – mancher gab dem Carlisle House die Schuld an einer Zunahme von Scheidungsskandalen.

Die Sache mit dem Geld ...

Teresa Cornelys lebte selbst auf aristokratischem Fuß, mit sechsspänniger Kutsche und großer Dienerschaft. Aber sie war keine gute Geschäftsfrau, immer hoch verschuldet, und ihr Erfolg rief Konkurrenzunternehmen auf den Plan. Schließlich wurde sie für Bankrott erklärt und das Haus versteigert. Einige Jahre später gelang ihr ein spektakuläres Comeback, wieder im Carlisle House. Jetzt waren ihre Bälle wilde Partys mit Glücksspiel. Nach einem schrieb eine Zeitung, alle Bordelle der Stadt seien leer gewesen, weil die Huren in diesem Haus versammelt waren.

Bald war Teresa Cornelys wieder pleite, verschwand für eine Weile in der Obskurität, versuchte es dann mit einem ländlichen Wellnesshotel mit Eselsmilchkuren, scheiterte auch damit und starb schließlich im Schuldgefängnis. Carlisle House war inzwischen abgerissen worden, nur der Ballsaal stand noch – der einstmalige Tempel des Vergnügens war nun eine katholische Kapelle.


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