15. November 1884 Afrika wird auf Kongo-Konferenz verteilt
Über Afrika wussten sie recht wenig, die Vertreter Europas, der USA und des Osmanischen Reichs, als sie sich in Berlin vor einer großen Karte trafen, um sich Afrika aufzuteilen. Am 15. November 1884 begann die Kongo-Konferenz.
15. November
Dienstag, 15. November 2011
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Redaktion: Thomas Morawetz
"Im Namen des allmächtigen Gottes!" So beginnt die Generalakte der Berliner Konferenz, auch Kongo-Konferenz genannt, die am 15. November 1884 in Berlin begonnen hatte. Dann folgt eine lange Liste von Majestäten, die es sich angelegen sein ließen, hier ihre Ansprüche auf Afrika zu regeln. Genauer gesagt: hauptsächlich aufs Kongo-Becken, das der belgische König kontrollierte ohne Rücksicht auf die Wünsche der Franzosen, Briten und Portugiesen. Persönlich anwesend war kein gekröntes Haupt, so hoch schätzte man den dunklen Kontinent mit den wilden Menschen und Tieren nun auch wieder nicht, man schickte seine Minister, Staatssekretäre, Legationsräte, Kammerherrn, Botschafter und was der Regierungsapparat sonst noch so hergab. Sie kamen aus den europäischen Ländern, aus den USA und aus dem Osmanischen Reich, aber nicht aus Afrika.
Otto von Bismarck, der deutsche Reichskanzler, Initiator und Leiter der Konferenz, hatte die afrikanischen Herrscher weder informiert noch eingeladen. Wozu auch? Afrika galt als Synonym für Wildnis und Barbarei, die selbsternannten Erfinder und Sachwalter der menschlichen Zivilisation saßen in Europa und den USA. Bismarck hielt von Kolonien anfangs gar nicht viel, er fand sie unrentabel. Was ihn störte, waren die innereuropäischen Spannungen wegen der Begehrlichkeiten in Bezug auf Afrika; die wollte er auf der Konferenz in für Deutschland kalkulierbare und vorteilhafte Bahnen lenken.
Nach monatelangen Beratungen kamen recht diplomatisch formulierte Beschlüsse zustande. Man erkannte den Anspruch des belgischen Königs auf das Kongo-Becken an, erklärte den Unterlauf des Kongo-Flusses zur Freihandelszone und bestätigte die französischen Ansprüche auf die Gebiete am nördlichen Kongo-Ufer. Was die Afrikaner betrifft, so nahm man sich vor, ihre "sittliche und materielle Wohlfahrt" zu heben und die Sklaverei zu bekämpfen. Das klang gut und kostete nichts, denn der Sklavenhandel war schon seit Jahrzehnten verboten und der Handel mit Gewürzen, Palmöl und Kautschuk sowieso viel lukrativer.
Aber das diplomatische Parkett hat ja immer auch eine inoffizielle Seite. In Wirklichkeit ging es keineswegs nur um den Kongo und um Handelsfreiheit für alle und erst recht nicht um Wohlfahrt für die Einheimischen. In Wirklichkeit ging es darum, Einflussgebiete auf dem ganzen Kontinent abzustecken, die sich in der Folgezeit, als das Zeitalter des Kolonialismus erst richtig in Fahrt kam, immer mehr verfestigen sollten. Die Teilnehmer scharten sich um eine fünf Meter hohe Afrikakarte und steckten Gebiete ab, von denen sie nicht die blasseste Ahnung hatten. Auch Deutschland stellte einige Gebiete im heutigen Tansania unter seinen sogenannten Schutz. In keinem anderen Kontinent gibt es so viele mit dem Lineal gezogenen Ländergrenzen ohne Rücksicht auf geographische und ethnische Realitäten wie in Afrika.
In den Folgejahrzehnten setzten die Europäer ihre Machtansprüche mit oft unmenschlicher Grausamkeit durch und brachten rund 120 Millionen Menschen unter ihre Gewalt - ein Trauma, das den Kontinent bis heute belastet. Auch in den europäischen Köpfen hat die Kolonialzeit Wurzeln geschlagen: Klischees vom faulen, lüsternen Afrikaner sind immer noch lebendig, Afrikakitsch mit schwarzen Dienerfiguren als Schalen- und Lampenträger verkauft sich noch immer, und die Völkermorde, die auch im deutschen Namen begangen wurden, werden von höchsten Regierungskreisen allenfalls mit halbherzigen Entschuldigungen quittiert.