16. August 1753 Kurfürst Karl Theodor setzt auf Voltaire
Gute Idee, fand der Alte Fritz, einen Philosophen ganz für sich alleine zu haben und holte Voltaire zu sich nach Preußen. Doch bald musste das "eigenbändige" Genie nach einem neuen Gönner suchen. Am 16. August 1753 schrieb er: Kurfürst Karl Theodor wird der neue Mäzen.
16. August
Dienstag, 16. August 2011
Autor(in): Henrike Leonhard
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
Er galt als der größte Geist seiner Zeit - der französische Dichter-Philosoph Voltaire. Obendrein mit einem ungenierten Geschäftssinn begabt, wusste er seinen Wert zu nutzen, den ihm bedeutende Mäzene Zeit seines Lebens mit nicht unbedeutenden Zuwendungen bestätigten. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Man finanzierte das brillante Genie, um in seinem Glanz mitzuglänzen ...
1750 ließ sich der 61-Jährige von seinem lebenslangen Briefpartner König Friedrich II., dem Großen, Kurfürst von Brandenburg, nach Preußen holen, locken, als Zierde der berühmten Tafelrunde - zu paradiesischen Bedingungen: "Er genießt hier", so Friedrichs Bruder, "bei seinen 5.000 Reichsthalern jährlichen Gehalts alles Wünschenswerte, des Königs Tafel, Küche, Keller, Kaffee, Schloss, Kutsche, kurz, alles steht zu seinen Diensten." Die Gegendienste? Voltaire an seine Nichte: "Mein Geschäft ist nichts zu tun. Ich genieße meine Muße. Eine Stunde des Tages widme ich dem König, um seine Werke in Prosa und Versen ein wenig abzurunden (...) Den Rest des Tages habe ich für mich, und der Abend schließt mit einem angenehmen Souper."
Der bestbezahlte Lektor aller Zeiten - wenn nur die poetischen Versuche des Königs so wenig dilettantisch ausgefallen wären wie sein Traversflötenspiel! Der Job kann nicht gutgehen, meinte die Nichte: "Mein Onkel ist nicht danach gemacht, bei Königen zu leben, sein Charakter ist zu lebhaft, zu inkonsequent und zu eigenbändig ..."
Also kam es, wie`s kommen musste, ein gelangweilter Esel tanzt auf dem Eis, spielt mit dem Feuer, der ordensgeschmückte Voltaire provozierte, attackierte, intrigierte, spionierte, spekulierte. Als das Eis krachte und der Boden zu heiß wurde, hat sich der in Ungnade gefallene Günstling auf eine Badereise gen Lothringen verabschiedet - die Zukunft ganz ungewiss. Der König: "Es war nicht nötig, die Bäder von Plombières vorzuschieben, um Ihren Abschied zu erbitten (...) doch lassen Sie mir vor der Abreise Ihren Kontrakt überbringen, den Schlüssel, das Ordenskreuz, den Gedichtband, den ich Ihnen anvertraut habe."
Ausgerechnet Friedrichs Poesieversuche, "Œvres du Philosophe de Sanssouci", ein Privatdruck, dessen unkontrollierte Veröffentlichung dem König peinlich gewesen wäre. Dass Voltaire diese Gedichte nicht zurückgab, führte Anfang Juni in der freien Reichsstadt Frankfurt zu seiner Aufsehen erregenden Inhaftierung durch die übereifrige preußische Gesandtschaft, gar zur Ausplünderung. Das ist freilich eine eigene, graue Geschichte ...
Voltaire beginnt erst wieder zu strahlen, als ihn Ende Juli eine pfälzische Hofkutsche ins Lustschloss Schwetzingen holt, an den glänzenden Hof des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, später Kurfürst von Pfalz-Bayern, wo man ihn, so heißt es, feiert und ehrt "gleich einem der Mächtigsten dieser Erde".
Drum meldet Voltaire am 16. August 1753 seinem Freund, dem Comte d´Argental: "Sie werden zwar einwenden, dass ich vor Kurfürsten nachgerade genugsam abgeschreckt sein könnte, allein dieser ist ein gar tröstlicher Herr."
Besonders tröstlich durch eine kapitale Leibrente für Voltaire samt Nichte. Karl Theodor: "Mir ist recht gut bekannt, dass man das Leibliche nicht vergessen darf, wenn man das Geistige anrufen will." Genau!