21. Januar 1937 Marcel Boulestin tritt als erster Fernsehkoch auf
Kochduelle und Grillmeisterschaften zeigt heutzutage jeder Kanal und das andauernd. Je kulinarisch kreativer, desto besser. Früher war das anders: Die erste Kochsendung im Fernsehen begnügte sich mit Hausmannskost wie daheim bei Muttern. Autor: Herbert Becker
21. Januar
Freitag, 21. Januar 2022
Autor(in): Herbert Becker
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Versetzen wir uns einen Augenblick lang zurück in die 50er oder 60er Jahre des weit zurückliegenden letzten Jahrhunderts. Damals wurde - die Teens und Twens von heute werden das möglicherweise gar nicht recht glauben können - in so gut wie jedem Haushalt gekocht, und zwar Tag für Tag! In aller Regel waren es die Frauen, die am Herd wirkten und dafür Sorge trugen, dass, wenn der Mann aus der Arbeit, die Kinder aus der Schule kamen, eine warme Mahlzeit auf dem Tisch stand. Kaum je wurden besonders raffinierte Gerichte serviert. Man aß Spinat mit Spiegelei und Salzkartoffeln, Kässpatzen, ab und zu Sauerkraut mit einem Stück Wammerl drin, und wenn´s schnell gehen musste, ein Omelett; solche Sachen halt.
Tischgespräche
Nur am Sonntag sah es anders aus: da gab es mittags zuerst eine Suppe, danach ein Hendl, und als Nachspeise Vanillepudding. Der Tisch war gedeckt, so richtig mit Tischdecke und verschiedenen Tellern, und die Familie - die ganze! - war um diesen Tisch versammelt. Dass niemand an einem Smartphone herumfummelte versteht sich von selbst, denn derlei kannte man noch nicht. Man unterhielt sich. Dem gemeinsamen Essen folgte nicht selten ein Spaziergang.
Tischgefernsehere
Dann aber schaffte sich ein Haushalt nach dem anderen einen Fernseher an, und zahlreiche Familienväter wollten während des sonntäglichen Mahls unbedingt den "Internationalen Frühschoppen" sehen; das war eine Art Talkshow, und wenn sie lief, mussten die Kinder den Mund halten. Die durften dafür um Viertel vor drei die neueste Folge von "Fury" anschauen, "die Abenteuer eines Pferdes". Übrigens gab es zu jener Zeit auch eine Sendung, die den speziellen Interessen der Mütter entsprach. Sie kam nicht am Sonntag, sondern am Freitag und hieß "Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch".
Die Kochsendung wurde von 1953 bis 1964 ausgestrahlt und oft unterschied sich das, was Wilmenrod vor aller Augen kreierte, nicht wesentlich von der biederen Hausmannskost, die die Familie ohnehin vorgesetzt bekam. Bei seinem ersten Auftritt zum Beispiel briet der Mann ein Omelett! Trotzdem war seine Sendung äußerst populär, und viele meinten, er sei der erste Fernsehkoch überhaupt. In Wirklichkeit hatte bereits sechzehn Jahre vor ihm der Franzose Marcel Boulestin vor laufender Kamera zum Kochlöffel gegriffen, und zwar bei der BBC. Der britische Sender befand sich damals noch in der Experimentierphase, und vielleicht wollten die Verantwortlichen wenigstens hinsichtlich der Kocherei keine Risiken eingehen. Bei dem Gericht jedenfalls, das Boulestin in seiner ersten Sendung am 21. Januar 1937 zubereitete, handelte es sich um ein ... ah... Omelett.
Inzwischen haben auf sämtlichen Gebieten weit reichende Entwicklungen stattgefunden - beim Fernsehen, in der Kulinarik, in der Gesellschaft ganz allgemein. Kochsendungen gibt es heute sonder Zahl, die Rezepte sind verfeinert bis zum Gehtnichtmehr - aber daheim gekocht wird immer weniger. Familien, in denen man regelmäßig gemeinsame Mahlzeiten einnimmt, sind zur Seltenheit geworden. Wenn´s gut geht wissen die Hausfrauen und Hausmänner noch, wie man ein Omelett macht.