Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. Oktober 1440 Gilles de Rais hingerichtet, Held und Mörder

Gilles de Rais hingerichtet, Held und Mörder Er war ein Kriegsheld, verehrte die Jungfrau von Orleans, war fromm und freigebig. Und Gilles de Rais war auch der Mörder von mindestens 140 Knaben. Doch eines Tages kam doch noch ans Licht, wer der Baron wirklich war. Am 26. Oktober 1440 wurde er verbrannt.

Stand: 26.10.2011 | Archiv

26.10.1440: Gilles de Rais hingerichtet, Held und Mörder

26 Oktober

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Autor(in): Christian Feldmann

Sprecher(in): Krista Posch

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Das ausgehende Mittelalter war eine ausgesprochen exzentrische Zeit. Derselbe Burggraf Ottokar, der im Frühjahr aus Jähzorn seinen Vetter Kasimir mit dem Schwert durchbohrt hatte, vergoss in aller Regel jede Nacht bittere Reuetränen und ging spätestens im Herbst auf Sühnewallfahrt für das Seelenheil seines verblichenen Verwandten. Die Menschen damals lebten ihre Leidenschaften eben gern voll aus und kümmerten sich wenig darum, der Nachwelt das Bild einer stimmigen Persönlichkeit zu hinterlassen.

Aber niemand von diesen herrlich impulsiven Charakteren trieb seine innere Zerrissenheit so ins Extreme wie der Baron Gilles de Rais, der in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts in Nantes, Tiffauges und Machecoul im Süden der Bretagne residierte. Mindestens 140 hübsche Knaben soll er im Lauf von acht Jahren abgeschlachtet haben, und zwischendurch ließ er mal schnell in Machecoul eine prachtvolle Stiftskirche bauen, die, man höre genau hin, den Unschuldigen Kindern von Bethlehem geweiht war und die er mit einem Aufgebot an Klerikern, liturgischen Geräten und Prunkgewändern ausstattete, einem Aufgebot, dass einer Kathedrale würdig gewesen wäre.

Gilles war schließlich von Geistlichen erzogen worden, er galt als frommer Liebhaber kostbarer Bücher und schönen Chorgesangs. Die Gesellschaft vierschrötiger Haudegen, die ihn von Jugend an umgab, scheint dazu nicht ganz zu passen - eher schon seine Verehrung für Jeanne d´Arc, deren Eskorte er auf Anweisung des Königshofs angehörte; schließlich hatte er sich im Krieg gegen die Engländer als tapferer Heerführer erwiesen: Der Baron, der offenbar nur mit Männern, mit sehr jungen Männern etwas anzufangen wusste und lediglich pro forma verheiratet war, scheint die ebenso fromme wie burschikose Heldin, die in Männerkleidern der Armee voran ritt, vergöttert zu haben.

Als Jeanne 1430 auf dem Scheiterhaufen endete, verlor Gilles sein Idol und damit offenbar jeden inneren Halt.
Er betätigte sich als Raubritter, warf sein Geld zum Fenster hinaus und begann Kinder und Heranwachsende anzulocken, die er missbrauchte und später auf erfinderische Art massakrierte, indem er ihnen mit einem Stock das Genick brach oder mit dem Schwert den Kopf abschnitt.

Nun, Gewalttaten waren damals auf den Schlössern an der Tagesordnung. Die Macht des Feudaladels kannte kaum Grenzen, und das Land war von Pest, Hungersnot und Krieg verheert. Verwahrloste Kinder streiften durch die leeren Dörfer, waren glücklich, wenn man ihnen eine Stelle als Page im Dienst des Barons anbot und wurden von niemandem vermisst. Doch eines Tages ereilte ihn doch noch die irdische Gerechtigkeit. Dem nicht minder mächtigen Bischof von Nantes gelang es, den verhassten Konkurrenten in einen Sensationsprozess zu verwickeln:

Gilles, zunächst nur als Alchimist, Dämonenbeschwörer, Ketzer angeklagt, glaubt noch, sich herausreden zu können; viele seiner Standesgenossen experimentieren mit magischen Praktiken, um aus Quecksilber Silber und Gold zu gewinnen. Als die Anklage plötzlich auf "widernatürliche Unzucht" und vielfachen Mord ausgedehnt wird, beginnt er zu toben, beschimpft die Richter als "Hurenböcke". Doch kaum hat ihn der Bischof exkommuniziert, wird der fromme Knabenschlächter weich, bekennt, er habe genug Böses getan, "um zehntausend Mal den Tod zu verdienen", schildert seine Exzesse so detailliert, dass der Bischof entsetzt das Kruzifix im Saal verhüllen lässt. Am 26. Oktober 1440 wird Gilles de Rais verbrannt, besser gesagt seine Leiche, denn zuvor hat man ihn barmherzigerweise gehenkt. Schließlich war er ein vornehmer Mann.


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