29. November 1814 "The Times" wird per Schnellpresse hergestellt
Die Tageszeitung des Vereinigten Königreichs. So oft journalistisch ein Meilenstein - im 19. Jahrhundert ein Meilenstein aber auch hinsichtlich der Drucktechnik. Autorin: Christiane Neukirch
29. November
Mittwoch, 29. November 2017
Autor(in): Christiane Neukirch
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
"Der Zeitung Singer kompt/ und singt die Zeitung in dem Thon: Kompt her zu mir spricht Gottes Sohn". Dieser Vers aus dem Jahr 1623 handelt nicht von einem journalistischen Papiererzeugnis. Das Wort "Zeitung" bedeutete lange nichts anderes als "Nachricht"; genau genommen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte der Nachrichtenverbreitung war schon bis dahin sehr bewegt und durchsetzt von mehr oder weniger bekannten technischen Revolutionen.
Modern Times
Die bekannteste seit Einführung der Schrift ist wohl die Erfindung des Buchdrucks. Johannes Gutenberg ersann um 1450 die beweglichen Lettern und dazu gleich eine Druckmaschine; eine Handpresse, mit der man bis zu 240 Blatt Papier pro Stunde bedrucken konnte. Genug für eine begrenzte Stückzahl an Büchern. Für das Zeitungswesen im modernen Sinne aber war dieses Verfahren noch nicht leistungsfähig genug. Zeitungen, sprich: Nachrichten streute man bis ins 18. Jahrhundert meist noch in handschriftlicher Form: Privaten Briefen lag ein offizieller "Zeitungs"- Teil bei, für die Verbreitung im Umfeld.
Revolutionen entstehen meist aus einem explosiven Gemisch von Einzelfaktoren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammentreffen und zünden. Für die große Revolution der Printmedien war die Zeit Ende des 18. Jahrhunderts reif. Da nämlich kam folgendes zusammen: James Watt entwickelte die Dampfmaschine. Mehr Schulbildung sorgte für zahlreiche, hungrige Leser. Erste Zeitungen erschienen, aus technischen Gründen noch in limitierter Auflage und auf kleinstem Verbreitungsgebiet. Wochenzeitschriften wurden in Lesesälen ausgelegt. In London wurde 1785 eine neue Tageszeitung gegründet: die "Times".
2.000 Seiten pro Stunde
Wenig später trat in Leipzig ein junger Mann namens Friedrich Koenig seine Lehre als Drucker beim Verlag "Breitkopf und Härtel" an.
Er schwitzte viel bei der harten Arbeit mit der Handpresse. Das brachte ihn auf eine Idee: eine Schnellpresse müsste man bauen, die mit Dampfkraft viel mehr Seiten auf einmal drucken könnte und obendrein Arbeitskraft sparen würde. Im vorindustriellen Deutschland fand Koenig jedoch weder geeignetes Material, Werkzeug, noch Sponsoren. England, die moderne Industrienation, bot ihm da bessere Möglichkeiten - und vor allem einen Kunden. Der Besitzer der "Times" kaufte zwei der neuen Druckmaschinen. So kam es, dass die "Times" am 29. November 1814 als erstes Blatt der Geschichte per Schnellpresse gedruckt wurde. 2000 Seiten pro Stunde: damit ließ sich schon eine Auflagezahl bewältigen, die über die regionalen Grenzen hinausreichte. In Europa boomte der Zeitungsmarkt: Die Ära der Massenmedien hatte begonnen. Noch heute werden Zeitungen von den Maschinen der Firma "Koenig & Bauer" gedruckt, im Tempo von 90.000 Seiten pro Stunde.
Doch inzwischen hat längst eine viel größere Technikrevolution die Printmedien in den Schatten gestellt: elektronische Verbreitungswege, Radio, Fernsehen und vor allem das World Wide Web tragen Nachrichten blitzschnell in die entferntesten Winkel der Welt. So kommt es, dass die Revolution des 29. November 1814 heute (fast) nur noch im "Kalenderblatt" Erwähnung findet.