30. November 1941 Alfred Döblin wird Katholik
Es war ein schwieriger 65. Geburtstag für Alfred Döblin. Am 30. November 1941 war er vom Judentum zum Katholizismus konvertiert. Noch wussten das die Freunde und Kollegen nicht. Dann hielt der Dichter eine Rede vor seinen 200 Gästen.
30. November
Mittwoch, 30. November 2011
Autor(in): Eva Solloch
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Redaktion: Thomas Morawetz
Verrat! Vor diesem Vorwurf fürchtet sich Alfred Döblin ungemein. Und davor, missverstanden zu werden. Es ist sein 65. Geburtstag, den er in einem Theater in Santa Monica feiert, als er zum ersten Mal Anspielungen auf seine Hinwendung zum Christentum macht - und das vor 200 Gästen, unter anderem sind Thomas Mann, Lion Feuchtwanger und Bertold Brecht geladen - Heinrich Mann hält eine Festrede, Peter Lorre liest Passagen aus Döblins Werken, und eine Glückwunschmappe wird überreicht. Dann betritt der Gefeierte selbst die Bühne, spricht, beinahe kryptisch, und dann: ablehnendes Schweigen, der Saal leert sich...
Zwei Jahre hatte Döblin sich zurückgehalten, seine Konversion vom Judentum zum katholischen Glauben verheimlicht: Aus Respekt vor seinen jüdischen Freunden, aus Solidarität mit den Verfolgten in Nazi-Deutschland und - weil er in den USA abhängig war von finanziellen Zuwendungen jüdischer Organisationen. Doch kurz nach seiner Ankunft in Amerika, 1940, am Rande seiner finanziellen und schöpferischen Möglichkeiten angelangt, hatte er sich einer Jesuitengemeinde angeschlossen und ließ sich im Neuen Testament unterrichten. Die Taufe hatte er schließlich am 30. November 1941 zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn empfangen. Eineinhalb Jahre später erhielt er die Erste Kommunion.
Langer Weg zur Entscheidung
Sein Weg zur Religiosität und letztlich zum Christentum war jedoch ein langwieriger Prozess: Eine jüdische Identität konnte er schon in Kindertagen nicht entwickeln. So sah er es mit Abscheu, wie seine Verwandtschaft nach dem Synagogenbesuch „dicke Schinkenbrote“ verzehrte und ihr Judentum verspottete. 1912 trat Döblin in Berlin aus der jüdischen Gemeinde aus, dennoch setzte er sich fortwährend mit dem jüdischen Glauben auseinander.
Zwei Erlebnisse aber formten Döblins Faszination für das Christentum - und beide hingen mit dem Bild des gekreuzigten Jesus zusammen: Während seiner Reise durch Polen Mitte der zwanziger Jahre hinterließ die Christus-Figur in der Marienkirche in Krakau einen tiefen Eindruck, zudem empfand er zum ersten Mal den Glauben als etwas Wahrhaftiges - als etwas, das tatsächlich von den Gläubigen gelebt wurde. Und während seines Exils in Frankreich war es das Kruzifix in der Kathedrale von Mende, das ihn zu dem Gedanken bewegte, der Gekreuzigte sei das wahre Symbol für das menschliche Elend.
Böse Abfuhr
Nach der Feier zu seinem 65. Geburtstag bedauerte es Döblin, seinen Glauben offenbart und die grauenhaften Erlebnisse während der Fluchtwochen für sich und für seine exilierten Schriftstellerkollegen in christliche Kategorien gefasst zu haben, von dämonischen Vorgängen und vom Großen Gericht gesprochen zu haben: Es sei keine Rede für eine Geburtstagsfeier gewesen. Die Reaktionen seiner Freunde und seiner Kollegen waren scharf. So verhöhnte Brecht in seinem Gedicht „Peinlicher Vorfall“ Döblin als einen Gott, der mit lauter Stimme erklärt habe, dass er soeben eine Erleuchtung erlitten habe und nunmehr religiös geworden sei. Unzüchtig sei er auf die Knie niedergegangen und habe schamlos ein freches Kirchenlied angestimmt.
Religion ist Privatsache - das hatte Döblin selbst schon vor seiner Konversion gesagt.