31. Juli 1895 Heinrich A. Stupp bricht auf, die Welt zu umwandern
Wanderlust! Der König aller Wanderwege ist der Fußweg um die ganze Welt. Am 31. Juli 1895 ist Heinrich Anton Stupp von München aus aufgebrochen zu seiner Weltfußreise. Nur 495 Tage hat er gebraucht, ein fantastischer Beweis höchstpersönlicher Zähigkeit.
31. Juli
Dienstag, 31. Juli 2012
Autor(in): Petra Herrmann
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Petra Herrmann
Joseph von Eichendorff berühmtes Lied voll "Wanderlust". Ein Wort, das schon im Mittelalter vorkommt und den steten inneren Antrieb beschreibt, sich die Welt fern der Heimat zu erschließen.
Denn - so Eichendorffs romantischer Kollege Victor von Scheffel:
"Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,
Wer lange sitzt, muss rosten,
Den allerschönsten Sonnenschein
Lässt uns der Himmel kosten."
Victor von Scheffel
"Wanderlust", ein urdeutsches Wort, das es auch im Englischen gibt: wie german "Angst"“ oder "Kindergarten", wie das martialische "Berufsverbot" oder den "Blitzkrieg", wie den trendigen "Zeitgeist", die eher spießige "Gemütlichkeit" oder die nicht nur bei uns beliebte "Schadenfreude".
"Wanderlust" hat natürlich auch die Wandervögel hervorgebracht. Manche schafften es zu Fuß um die ganze Welt. Der allererste war ein deutschstämmiger Amerikaner namens Friedrich Gustav Kögel, der von 1894 bis 96 nur 2 Jahre dafür brauchte. Inzwischen scheint die Sache schwieriger geworden zu sein. Im Frühjahr 2006 scheiterte der britische Weltumwanderer Karl Bushby nach mehr als 7 Jahren per pedes an der russischen Bürokratie. Wegen unerlaubter Grenzüberschreitung. Dabei dürfte Bushby auf der zugefrorenen Beringstraße wohl kaum einen Grenzposten getroffen haben, bei dem er sich hätte melden können. Aber: Nachdem er 2000 Rubel Strafe hatte zahlen müssen, erschwingliche 60 Euro, durfte er weiterwandern - ganz legal.
Ohne Bushbys oder Kögels Leistung schmälern zu wollen, sei in diesem Zusammenhang an unseren Landsmann Heinrich Anton Stupp erinnert. Nicht nur, weil er in der Rekordzeit von 492 Tagen um den Globus herumgelaufen ist. Sondern vor allem deshalb, weil er am 31. Juli 1895 in München aufbrach. Sogar am Stachus, Hotel Oberpollinger. Zu Fuß ging´s dann nach Budapest, Konstantinopel, über Zentralasien, Indien und Japan quer durch die USA bis nach New York, wo er vom amerikanischen Präsidenten Cleveland persönlich empfangen wurde, und über Liverpool zurück nach München. Dort fand sich Stupp gesund und munter wieder im Hotel Oberpollinger ein.
Was Stupp mitbrachte, waren viele Notizen. Eher Abenteuerbuch als ethnographischer Bericht. In der von imperialen Mächten dominierten Welt hatte ihm zwar manches Empfehlungsschreiben geholfen, aber ohne gefährliche Situationen ging´s nicht ab. So wurde Stupp in Konstantinopel unliebsamer Zeuge eines Massakers an Armeniern. Und nur ein Zufall hinderte ihn daran, das schon damals lebensgefährliche Afghanistan zu passieren. Die Alternative, nämlich die Durchquerung der persischen Wüste Daht-I-Lut, war aber auch kein reines Vergnügen. Er notierte: "Heute bei goldener Sonne, morgen bei strömendem Regen, heute bei eisiger Kälte, morgen bei Tropenhitze, ein Tag in vornehmen Hotels, den anderen in schmutzigen Spelunken, heute herzliche Gastfreundschaft, morgen unangenehme Feindseligkeit erfahrend ...".
2003 hat es seine Schwiegertochter dann in mühsamer Kleinarbeit fertig gebracht, aus all den Zetteln, Briefen, Fotos und Dokumenten ein Buch zu machen: Es berichtet von einer aberwitzigen Unternehmung, die eigentlich zum Scheitern verurteilt war. Aber der damals gerade mal 20-Jährige hat es eben doch geschafft. Mit Glück, allerhand Gottvertrauen und dem, was wir Deutsche der englischsprachigen Welt geschenkt haben - der Wanderlust ...
"Die Trägen die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
sie wissen nur von Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot."
Heinrich A. Stupp
Nach seiner spektakulären Weltreise blieb Heinrich Anton Stupp übrigens zu Hause. Dort lebte er lange, glücklich und zufrieden. Aber erst mit 63 Jahren bekam er einen Sohn.