31. Oktober 1953 Bally Prell singt "Schönheitskönigin von Schneizelreuth"
Mit ihrem rustikalen Auftreten karikierte sie den Schönheitswahn in ihrem legendären Lied „Die Schönheitskönigin von Schneizlreuth“: Bally Prell. Schon als Fünfjährige riss sie das Münchner Publikum mit ihrer weichen Tenorstimme hin. Sie sang Komödiantisches ebenso gekonnt wie Opernarien und Lied. Autor: Simon Demmelhuber
31. Oktober
Donnerstag, 31. Oktober 2024
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Frank Halbach
Eigentlich heißt sie Agnes Pauline. Aber Bally passt besser, meint ihr Bruder Ferdinand. Wie der die grad geborene Schwester zum ersten Mal sieht, so kugelrund und krähvergnügt, ist er gleich in sie verschossen: "Des is mei Balli", sagt er, "die geb i nimmer her!" Der Name bleibt. Sie trägt ihn wie einen Panzer, der etwas Zerbrechliches schützt. Jeder sagt Bally, sie selber auch. Weil es nicht gar so weh tut, wenn sie ihn selbst noch lauter und lustiger plärrt als jeder sonst. Und weil dann keiner merkt, wie das ist, wenn hänselnde Augen ihr Dicksein vermessen.
Am besten wär's, sie könnt sich verstecken. Aber das geht nicht, der Vater hat große Pläne. Ludwig Prell ist Versicherungsbeamter, lebt aber ganz für die Volkssängerei. Er schreibt und komponiert Couplets, spielt virtuos Gitarre und träumt von einer Prelldynastie. Die stützt er zuerst auf Ballys älteren Bruder. Als der Ferdl dann mit 20 Jahren stirbt, ist Bally plötzlich allein für den Ehrgeiz des Vaters haftbar.
Aufgefahren ins Brettl-Elysium
Auf die Achtjährige kann sich der "Vatl" verlassen. Die Tochter ist hochmusikalisch, hat einen warmen, tiefen Tenor, ein komisches Talent und lässt sich fügsam formen. Ludwig Prell arrangiert ihre Auftritte und bestückt das Programm komplett mit eigenen Werken. Viele davon, das "Isarmärchen" etwa, oder "Die Sankt Anna Vorstadt", bringen es zu echtem Brettlruhm. Noch berühmter aber wird Ballys unverwüstliche "Schönheitskönigin von Schneizlreuth". Auch dieses Lied, mit dem sie aus dem Stand ins bayerische Brettl-Elysium auffährt, hat ihr der "Vatl" auf den Leib geschrieben.
Am 31. Oktober 1953 tritt Bally mit dem Glanzstück erstmals am Münchner Platzl auf, und zwar genau so, wie sie es 30 Jahre lang unverändert vorträgt: Im rosa Rüschenkleid, mit einem zierlichen Spitzenschirmchen, das in ihren Pranken wie ein verschüchterter Zahnstocher wirkt. Auf dem Riesenschädel zittert ein Flitterkrönchen, den Bauch überspannt weiß-blau eine Schärpe mit dem Aufdruck "Miss Schneizlreuth".
Es schaut halt doch keiner hinein in ein fremdes Herz
Die Nummer ist ein Geniestreich! Da dreht und spreizt sich eine Zweizentner-Elfe, da protzt und prahlt ein Brackl-Weibsbild, das die Schneizlreuther Weiblichkeit beim Beauty Contest in der Landeshauptstadt vertritt: "Mich, die Salvermoser Zenz hamm's zur Schönheitskonkurrenz, nach München aufigschickt". Hinter dem gezierten Getue bricht immer wieder die gscherte Dorfdotschn durch, ein gschupftes Trumpferl, das großspurig in die Falle zwischen Selbstbild und Wirklichkeit tappt. Das Publikum ist begeistert: Wie gspaßig Bally die grassierende Misswahl-Manie parodiert, wie exakt jeder Ton, jede Geste sitzt, wie ungeniert sich das gwamperte Bummerl dem Lachen zum Fraß vorwirft - einfach unwiderstehlich!
Losgeworden ist Bally Prell die Salvermoser Zenz nie wieder. Und solang das Rampenlicht brennt, kennt sie kein Pardon mit sich und ihrer Bühnenfigur. Daheim aber fällt alles Kracherte von ihr ab. Sie lebt zurückgezogen, singt Opernarien, komponiert Klaviermusik, vertont Eichendorff-Gedichte. Es schaut halt doch keiner hinein in ein fremdes Herz. Und wie's da drinnen hergeht, wer weiß das je vom andern?