Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Oktober 1968 Black Pride-Bekenntnis auf der Olympia-Siegertreppe

Die afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos erhoben während der Siegerehrung zum 200-Meter-Lauf der Olympischen Spiele 1968 in Mexiko-Stadt ihre Faust zum sogenannten Black-Power-Gruß. Bis heute ist das Foto von dieser Protestaktion eine Ikone amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 16.10.2024

16.10.1968: Black Pride-Bekenntnis auf der Olympia-Siegertreppe

16 Oktober

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Frank Halbach

Zwei Männer senken die Köpfe. Jeder streckt einen Arm, jeder ballt eine Faust im schwarzen Lederhandschuh. Ein dritter Mann steht bei ihnen, ruhig, mit hängenden Armen. Seine Haut ist weiß, die der beiden anderen schwarz. Anderthalb bleierne Minuten lang bohren sich die fest geschlossenen Hände in die Nacht über dem Olympiastadion von Mexico-City: Ein Bild, das bleibt. Fernsehkameras schicken es um die Welt, erstmals live und in Farbe.

Mit geballter Faust

Am 16. Oktober 1968 gewinnt der Amerikaner Tommie Smith in Mexiko olympisches Gold über 200 Meter. Zweiter wird der Australier Peter Norman, der Amerikaner John Carlos erringt Bronze. Als die Athleten zur Siegerehrung schreiten, läuft ein Raunen durch die Ränge. Auf allen drei Trikots prangt der Anstecker des Olympischen Projekts für Menschenrechte. Die beiden schwarzen Sprinter treten in Strümpfen und hochgekrempelten Hosen an. Smith hat einen schwarzen Schal umgelegt, Carlos hat den Reißverschluss seiner Sportjacke geöffnet, eine Kette aus dunklen Holzperlen ziert seinen Hals. Schon der Einzug ist ein Affront, aber nichts gegen das, was noch kommt.
Als die amerikanische Hymne erklingt, neigen Smith und Carlos ihre Häupter. Smith reckt den rechten, Carlos den linken Arm. Peter Norman steht gefasst und nahezu schützend mit ihnen auf dem Siegerpodest.
Nichts an dieser Szene ist zufällig. Carlos und Smith haben ihre Symbolik gut durchdacht. Der Schal ist der Stolz des schwarzen Amerika. Die Kette mit den schwarzen Perlen erinnert an die ungesühnten Morde einer zügellosen Lynchjustiz. Die schwarzen Socken stehen für die Armut eines Großteils der schwarzen Bevölkerung. Die gebeugten Häupter ehren die Opfer rassistischer Gewalt und die Märtyrer der Bürgerrechtsbewegung.
Die geballten Fäuste wirken kämpferisch. Doch sie drohen nicht, sie klagen an: "Was wir taten, war kein Aufruf zu Gewalt", erklärt Smith. "Es war ein Ruf nach Freiheit und Gleichberechtigung."

Sichtbar werden!

"Wir mussten sichtbar werden, weil uns niemand hören wollte", ergänzt Carlos. "Unsere Aktion war ein Aufschrei gegen Rassismus und Polizeigewalt. Alles, was wir wollten, waren gleiche Rechte und eine faire Chance, wie menschliche Wesen zu leben!" Der umstrittene IOC-Präsident Avery Brundage bewertet den Vorfall auf seine Art. Für ihn ist die Aktion eine, so sagt er wörtlich: "üble Demonstration gegen die amerikanische Flagge durch Neger". Da gibt's nur eine Antwort: Raus mit den Störern! Schickt sie sofort nach Hause!
Dort geht der Tanz dann richtig los: Sportlich sind Smith und Carlos komplett kaltgestellt, Schmähungen und Todesdrohungen prügeln auf sie nieder. Auch Peter Norman zahlt einen hohen Preis. Sein stiller Beistand kostet ihn eine große Sportkarriere.
Ein halbes Jahrhundert später geht der schwarze Football-Spieler Colin Kaepernick während der US-Hymne wiederholt aufs Knie. "Ich werde nicht so tun, als sei ich stolz auf die Flagge eines Landes, das schwarze Menschen unterdrückt", sagt Kaepernick. Der damalige US-Präsident hält sich gern für die am wenigsten rassistische Person überhaupt und keift daher nur kurz: "Schafft den Hurensohn sofort vom Feld!"


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