15. September 1963 Bombenanschlag auf Kirche in Birmingham
Anfang der 1960er Jahre ebbten die Rassenunruhen in den USA nicht mehr ab. Während die einen Gleichheit für alle forderten, hielten andere Diskriminierung für weiterhin angemessen. Ein Bombenanschlag auf eine Kirche in Alabama wurde schließlich zum zentralen Moment der Bürgerrechtsbewegung. Autorin: Ulrike Rückert
15. September
Freitag, 15. September 2023
Autor(in): Ulrike Rückert
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Vor dem Gottesdienst um elf Uhr war es immer ruhig, aber keineswegs leer in der Sixteenth Street Baptist Church, der Kirche der größten afroamerikanischen Gemeinde in Birmingham, Alabama. Der Pastor leitete den Frauenbibelkreis, und es gab Religionsunterricht für Kinder. Der 15. September 1963 begann wie ein gewöhnlicher Sonntag.
Um zwanzig nach zehn erschütterte eine Explosion das ganze Gebäude. Möbel stürzten um, Fensterscheiben zerbarsten. Panische, blutende Menschen rannten ins Freie.
In der Außenwand klaffte ein Loch. Wo eben noch die Damentoilette gewesen war, türmte sich ein Schutthaufen, und obenauf schien ein Chorkleid in Kindergröße zu liegen. Mit bloßen Händen gruben Helfer in den Trümmern und bargen die Leichen von vier Mädchen.
Bombingham
Der Hintergrund des Anschlags war kein Rätsel. Rassistischer Terror war in den Jahren der Bürgerrechtsbewegung alltäglich in den Südstaaten, und Birmingham war als „Bombingham“ berüchtigt, so viele Attentate hatte es hier schon gegeben.
Im Frühjahr 1963 hatte eine Protestkampagne gegen die Rassentrennung die Stadt zum Brennpunkt der Bürgerrechtsbewegung gemacht. Martin Luther King kam, wurde verhaftet und saß eine Woche im Gefängnis. Die Polizei griff demonstrierende Schulkinder mit Wasserwerfern an, die Bilder gingen um die Welt. Als die Stadtverwaltung schließlich Zugeständnisse ankündigte, explodierten am selben Tag zwei Bomben.
Die Ereignisse in Birmingham lösten auch Proteste in anderen Städten aus, dreihunderttausend Menschen kamen zu einer Kundgebung nach Washington, und Präsident John F. Kennedy legte dem Kongress den Entwurf eines umfassenden Bürgerrechtsgesetzes vor.
Schulen für alle
Dann begann Anfang September das neue Schuljahr. Sieben Jahre zuvor hatte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Rassentrennung in Schulen für verfassungswidrig erklärt, aber in Birmingham hatte sich nichts geändert. Afroamerikanische Familien hatten deshalb geklagt, und ein Bundesgericht ordnete an, dass die weißen Schulen die Kinder aufnehmen müssten.
Wütende Weiße rotteten sich vor den Schulen zusammen. Der Gouverneur von Alabama schickte Soldaten der Nationalgarde, um den schwarzen Kindern den Zutritt zu verwehren. Eine Bombe detonierte am Haus eines schwarzen Rechtsanwalts.
Und dann an der Sixteenth Street Baptist Church. Dieser Mord an vier Kindern wurde ein Wendepunkt der Bürgerrechtsbewegung, und mehr als alle Gewalttaten zuvor schockierte er weiße Amerikaner im Norden. Doch wie bei fast allen rassistischen Verbrechen dieser Zeit, schienen die Täter ungestraft davonzukommen.
Nach wenigen Tagen schon verdächtigten FBI-Spezialisten vier Mitglieder des Ku Klux Klans. Dennoch legte FBI-Chef J. Edgar Hoover den Fall nach jahrelangen Ermittlungen zu den Akten.
Doch in den Siebzigerjahren nahm ihn ein Justizminister in Alabama wieder auf und brachte einen der Täter hinter Gitter. Zwei Jahrzehnte später grub ein FBI-Agent die Akten noch einmal aus. Einer der Verdächtigen war inzwischen tot. Die anderen beiden aber starben als verurteilte Mörder im Gefängnis.