18.06.1821 „Der Freischütz“ wird uraufgeführt
Teufelspakt und Folklore... Der "Freischütz" wurde 1843 als die Erfindung der "deutschen Nationaloper" gefeiert. Autor: Markus Vanhoefer
18. Juni
Montag, 18. Juni 2018
Autor(in): Markus Vanhoefer
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Der 18. Juni 1821! Was für ein bedeutungsmächtiges Datum! Genau sechs Jahre ist es her, seit Waterloo Napoleons Ende besiegelt hat, eine Schlacht, in der Blüchers Preußen das entscheidende Zünglein an der Waage gewesen waren. Europa ist gerade dabei, sich unter nationalen Vorzeichen neu zu formieren.
Die Geburt des deutschen Musiktheaters
Wenn ein Berliner Theater an solch einem Jubiläumstag die Uraufführung einer Oper auf den Spielplan setzt, dann kann dies nur ein symbolhafter Akt sein, ein gesellschaftspolitisches Signal. Zumindest im frühen 19. Jahrhundert. So drängt sich eine "kompakte Masse" bereits Stunden vor dem offiziellen Vorstellungsbeginn durch die engen Eingänge des königlichen Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Es heißt: "Jugendliche Intelligenz, patriotisches Feuer und die erklärte Opposition gegen das Ausländische" hätten sich in der "Hitze des Parketts" versammelt, um einer Oper entgegenzufiebern, die Epochales, Vaterländisches verspricht: Die Geburt eines nationalen, deutschen Musiktheaters.
Die Erwartungen sind groß. Die Anspannung ist gewaltig. Dreimal muss Carl Maria von Weber, der auch der Komponist des Werkes ist, seinen Taktstock sinken lassen, ehe Ruhe einkehrt und das Orchester mit dem "zauberischen Tongemälde" der Ouvertüre beginnen kann.
Carl Maria von Weber hatte sein "nationales" Sujet in einem kleinen Bändchen mit dem Titel "Das Gespensterbuch" entdeckt: "Der Freischütz" heißt die erste Erzählung, in welcher der Komponist all das vorgefunden hatte, was wir heute mit den Schlagworten "romantisch" und "deutsch" belegen. Die mystische Atmosphäre des deutschen Waldes, die biedere Fröhlichkeit des Jagdlebens, das Wirken finsterer, dämonischer Mächte, es ist eine magische Welt, in der das heimelige auf das Unheimliche trifft, in der Denken und Fühlen ins Stimmungshafte verklärt werden.
Kein italienischer oder französischer Autor hätte jemals eine solche Geschichte geschrieben, wie die vom Schützenfest und den vom Teufel verhexten "Freikugeln". Und wenn sie bis dahin ein anderer deutscher Komponist vertont hätte, dann hätte sie vermutlich sehr nach Paris oder Mailand geklungen. Carl Maria von Webers volkstümlich grundierte Partitur ist jedenfalls eine stilistische Innovation.
Die Erfindung des Vaterlands
Der 18. Juni 1821. Der Erfolg der Freischütz-Premiere ist triumphal. "Das Auditorium brauste", wie ein Zeitzeuge berichtet. Beifall und Bravo-Chöre ohne Ende: Nach dem Schlussvorhang "erfüllt donnernder Applaus und tausendstimmiges Rufen das Haus". Und als sich Carl Maria von Weber endlich auf der Bühne verbeugt, fliegen ihm zahllose "Jubelkränze" und Zettel mit Gedichten entgegen. Für Carl Maria von Weber ist sein Freischütz der "vollständigste Triumph, den man erleben kann".
Das junge, patriotische Bürgertum feiert den Komponisten als den Meister, der "den Deutschen ihre deutsche Oper geschenkt hat". Und das in Zeiten, in denen es das "politische Gebilde" einer einheitlichen Nation noch nicht gibt. Selbst kritische Intellektuelle wie Ludwig Börne sprechen mit ironischem Unterton von den "geographischen Verdiensten" des "Freischütz". Jedoch nicht ohne folgende Bemerkung hinzuzufügen:
"Wer kein Vaterland hat, erfinde sich eins! Die Deutschen haben es versucht auf allerlei Weise, … und seit dem Freischützen tun sie es auch mit der Musik".