5. Dezember 1704 Die Komponisten Händel und Mattheson duellieren sich
Kleopatra hat viel Zwietracht gesät unter den Männern. Sogar posthum: Auch wegen ihr gingen die Komponisten Händel und Mattheson mit dem Degen aufeinander los. Autor: Xaver Frühbeis
05. Dezember
Mittwoch, 05. Dezember 2018
Autor(in): Xaver Frühbeis
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Eigentlich - sind sie ja richtig dicke Freunde gewesen. Johann Mattheson, ein Hamburger Kaufmannssohn, 23 Jahre alt, ein Multitalent auf dem Gebiet der Musik. Er komponiert, dirigiert, spielt sieben Instrumente und steht als Sänger auf der Opernbühne am Gänsemarkt. Der andere: Georg Friedrich Händel, ein Jurastudent aus Halle. Auch er: ein grandioser Musiker, aber mit seinen neunzehn Jahren neu in der Stadt. Im Orchester der Oper am Gänsemarkt spielt Händel die zweite Geige. Und genau das ist sein Problem. Wo er doch nach Hamburg gekommen ist, um erster zu werden. Doch überall, wo er hingeht, sind schon andere. Zum Beispiel: dieser Mattheson. Und so schleichen sich allmählich in die Freundschaft der beiden begabten Musiker Misstöne ein.
Die Sache mit Kleopatra
Es fängt damit an, dass Mattheson dem Händel einen Schüler wegschnappt. Den Sohn eines reichen englischen Gesandten. Mit dem Geld hat Händel immer seine alte Mutter unterstützt, das fehlt jetzt. Und dann noch: die unangenehme Sache mit Kleopatra. "Die unglückselige Cleopatra": Matthesons große neue Oper, eine tragische Angelegenheit. Beide - die ägyptische Königin und ihr Geliebter, der römische Feldherr Marcus Antonius - erleben das Ende des Bühnenstücks nicht. Mattheson dirigiert, wie das üblich ist, das Hamburger Orchester vom Cembalo aus. Gleichzeitig aber gibt er auch noch selber auf der Bühne den Marc Anton. Wenn er oben singend zu tun hat, sitzt währenddessen unten im Orchester Händel statt seiner am Cembalo. Sobald sich aber oben auf der Bühne der Feldherr selbst entleibt hat, saust Mattheson nach unten ins Orchester, um für die letzte halbe Stunde seinen Platz am Cembalo wieder einzunehmen. Und Händel, der Ersatzmann, muss zurückrücken zu den zweiten Geigen. Das ist eine Schmach, die ihn auf Dauer ziemlich wütend macht.
Händel immobile
Es kommt der Abend des 5. Dezember 1704. Die letzte Aufführung der Oper. Das bedeutet: jetzt oder nie. An diesem Abend sagt Händel zu dem herbeigeeilten Mattheson: es tue ihm leid, heute gehe er da nicht weg, heute würde nämlich er die Sache am Cembalo zu Ende bringen. Mattheson widerspricht, ein Wort gibt das andere, angeblich fallen sogar Ohrfeigen, und ob die Aufführung an der Stelle abgebrochen oder doch noch zu Ende geführt worden ist, das weiß man nicht. Was man aber weiß, weil nämlich Mattheson davon berichtet hat, ist, dass die beiden Streithansln hinterher draußen auf der Straße, vor dem Opernhaus auf dem Gänsemarkt, mit gezogenem Degen aufeinander losgegangen sind. Sie fechten und stoßen und schlagen sich sehr im Ernst, bis plötzlich Matthesons Klinge an Händels Brust auf einen großen metallenen Rockknopf trifft und laut schnalzend zerspringt. Das ist dann insgesamt doch sehr erleichternd.
Hinterher versöhnen sich die beiden zwar, doch mit ihrer Freundschaft ist es nicht mehr weit her. Mattheson hört bald danach auf, in der Oper zu singen, er komponiert bloß noch und verfasst kluge Bücher. Händel schreibt für Hamburg noch ein, zwei neue Opern, dann verlässt er die Stadt in Richtung Italien, um sich dort weiterzubilden und vor allem: endlich Furore zu machen. Als "il famoso Sassone - der berühmte Sachse".