14. Oktober 1947 Erster Überschallflug
Er wagte, was alle Experten für den sicheren Tod hielten: Chuck Yeager durchbrach als erster Mensch die Schallmauer. Der Glaube an den "Dämon des Himmels", die Undurchdringlichkeit der Schallmauer war damit Geschichte. Ausschlaggebend dafür: die Konstruktion des passenden Flugzeugs. Autorin: Katharina Hübel
14. Oktober
Freitag, 14. Oktober 2022
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Schneller als der Schall. Schneller als 1.240 Kilometer pro Stunde durch die Wolken fliegen. Eine übermenschliche Superkraft, unerreichbar wie der Mond, pure Science Fiction. So schien es lange. Wer versuchte, schneller als die Geräusche zu fliegen, die das eigene Flugzeug verursacht, musste einst mit dem Leben bezahlen. Wie 1946 ein englischer Pilot.
Es konnten nur noch die Überreste seines Flugzeugs in einem Sumpf geborgen werden. Zerschellt an der Schallmauer. Eine weiße Wand aus verdichteten Schallwellen, eine Druckwelle, die entsteht, wenn das Flugzeug vor dem Schall fliegt. Eine unbezwingbare Grenze am Himmel.
"Glamorous Gladdis"
Nur ein Jahr später fällt sie. Am 14. Oktober 1947 beweist der US-Amerikaner Chuck Yeager, dass es doch geht. Dass dem Menschen nach oben hin keine Grenzen gesetzt sind. Chuck Yeager fliegt den ersten Überschallflug. Er hatte nie an die Legende vom Dämon im Himmel geglaubt, an das Märchen von der Unbezwingbarkeit der Geschwindigkeit. Er vertraute dem technischen Fortschritt - und darauf, dass mit dem richtigen Flugzeug der Rekord möglich sein würde. Seine Geschichte beginnt mit einer Ausbildung zum Flugzeugmechaniker. Er will Pilot werden - hat aber keinen entsprechenden Schulabschluss. Chuck Yeager lässt sich davon nicht abhalten. Er fällt auf durch sein außergewöhnliches Verständnis für Flugzeuge und bekommt seine Chance. 1942 beginnt er seine Fliegerausbildung. Prompt wird ihm schlecht. Die Luftkrankheit. Doch auch diese körperliche Grenze kann er überwinden. Im Zweiten Weltkrieg ist er dann Kampfpilot für die USA, ein Flieger-Ass. In seiner Autobiographie setzt er sich auch mit den dunklen Kapiteln dieser Zeit auseinander; er gehörte zu der Einheit, die unter anderem auf Zivilisten feuern sollte.
Es kommen friedlichere Zeiten und Chuck Yeager schlägt ein neues Kapitel auf: Er wird Experimentalflieger. Pilot im Dienste der Wissenschaft. Und so steigt er dann in die Bell X-1, ein Raketenflugzeug, genannt "Glamorous Gladdis", nach Chucks Frau. Es ist schmal und schnittig, einer Gewehrpatrone nachgeformt. Gewehrkugeln schaffen Überschallgeschwindigkeit, ohne dabei zerstört zu werden. Vielleicht klappt es bei einem entsprechend geformten Flugzeug also auch. So die Idee des Konstrukteurs. Darauf vertraut Chuck Yeager.
Ein Pieks in den Wackelpudding
Und so steigt er, auf dem Weg zur Legende, mit zwei - beim Reiten - gebrochenen Rippen auf 2.000 Metern Höhe in der Luft um in das kleinere Raketenflugzeug, das unter dem Bauch einer riesigen Boeing hängt. Die Boeing hatte Gladdis auf Höhe gebracht. Eiskalter Wind peitscht Yeager mit 400 Stundenkilometern beim Umstieg um die Ohren. Er schafft es, die Luke aus dem Cockpit der "Glamorous Gladdis" heraus sicher zu verschließen, mit Hilfe eines Besenstiels - da seine Verletzungen es anders nicht erlauben. Er koppelt sich ab und durchbricht die Schallmauer. Als sei es keine große Sache. "Es fühlte sich an, als würde man durch Wackelpudding pieksen", sind seine historischen Worte danach.