Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. September 1813 Geburtsstunde des Skatspiels

Skat klopft man, beim Watten schafft man aus, beim Autoquartett schreit man "Sticht!!!!" – Kartenspielerinnen und Kartenspieler sprechen oft eine eigene Sprache. Wer die nicht kann, tut sich schwer. Denn meistens ist eines streng verboten: Über die Schulter schauen, um was zu lernen. Autor: Thomas Grasberger

Stand: 04.09.2024

04.09.1813: Geburtsstunde des Skatspiels

04 September

Mittwoch, 04. September 2024

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Ganz grob gesprochen, lässt sich die Menschheit in zwei Gruppen einteilen: In Kartenspieler, kurz Kartler. Und Nicht-Kartenspieler, kurz: "die Andern". Die Andern zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht einen Fetzen Verständnis dafür zeigen, dass es Menschen gibt, nämlich die Kartler, die sich stundenlang um einen Tisch setzen, auf den sie mit großer Wucht kleine, bunt bedruckte Kartons dreschen, bis die Gläser wackeln und dazu eigentümliche Kampfschreie ausstoßen wie: "Da kommt da Oide!" – "Da geht die Blaue!" – "Des is da Erdbeerschorsche!" Wenn dann noch von "Laufsau", "Abspatzen" und "Schmieren" die Rede ist, lächeln die Andern ahnungslos-verlegen. Und gehen!

Ja mei

Es gibt noch eine dritte Gruppe, die aber nicht weiter ins Gewicht fällt und eher zu den Andern gerechnet werden muss. Die "Gelegenheits-Kartler". Das sind Menschen, die ihre Freizeit mit lustigen Kartenspielen für Kinder gestalten: So was wie Neunerln, Mau-Mau oder Autoquartett. Für ernsthafte Kartler sind diese Menschen nicht satisfaktionsfähig. Nicht einmal als "Brunzkartler" würde man so jemanden an den Tisch lassen. "Brunzkartler" wird in Bayern ein Ersatzspieler genannt, der einspringt, wenn einer der Stammspieler am Tisch dringend auf die Toilette muss. Es soll übrigens Kartler geben, die lieber einen Blasensprung riskieren, als so einen Mau-Mau-Helden als Brunzkartler an den Tisch zu lassen.

Na, gell!

Die Behauptung, die Menschheit lasse sich in zwei streng voneinander getrennte Gruppen einteilen, ist also keineswegs übertrieben.
Das gilt nicht nur im schönen Bayern, wo die Königsdisziplin das Schafkopfen ist, sondern auch in anderen Weltgegenden. Zum Beispiel in Thüringen. Dort hat man früher auch Schafkopf gespielt, allerdings den Wendischen Schafkopf. Aus diesem und anderen Spielen hat sich im frühen 19. Jahrhundert das Skatspiel entwickelt, das sich rasch im deutschen Sprachraum verbreitet hat und heute zu den populärsten Kartenspielen im ganzen Land gehört; vor allem weiter oben im Land!

Wann und wie genau Skat entstanden ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Aber weil jedes Kind nicht nur einen Namen, sondern auch eine Geburtsstunde braucht, hat man sich darauf geeinigt, dass das Skatspiel offiziell am 4. September 1813 zur Welt gekommen ist. An jenem Tag, so belegt es eine Spielabrechnung, die erhalten ist, haben sich im thüringischen Altenburg einige Honoratioren getroffen, um "Skat zu kloppen". Als da waren: Gymnasialprofessor Johann Friedrich Ludwig Hempel, Hofadvokat Friedrich Ferdinand Hempel, Medizinalrat Schuderoff, Ratsherr Neefe und Kanzler von der Gabelentz. Als weiterer Teilnehmer saß der bekannte Verleger Friedrich Arnold Brockhaus mit dabei. Ob Brockhaus so eine Art Brunzkartler war, ist nicht überliefert; es steht auch nicht im Lexikon. Fest steht nur, mit der honorigen Runde begann eine neue Ära der Geschichte, in der sich die Zweiteilung der Menschheit endgültig verfestigte: Die Trennung in Kartler – und Andere!

Kleine Anmerkung zum Schluss: Aus Gründen der journalistischen Ausgewogenheit soll hier nicht verraten werden, zu welcher Gruppe der Autor dieser Zeilen gehört. Nur so viel: Er war in seiner Jugend ein ganz passabler Auto-Quartett-Spieler.


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