Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Mai 1959 Francois Truffaut wird bester Regisseur mit Debutfilm

Als junger Mann verbrachte er ganze Tage und Abende im Kino, um sich zu schulen an den Werken der besten Regisseure. Bald sollte Francoise Truffaut selbst einer der besten Cineasten werden. Als einer der großen Namen der Nouvelle Vague schreibt er Filmgeschichte. Autor: Hartmut E. Lange

Stand: 15.05.2023 | Archiv

15.05.1959: Francois Truffaut wird bester Regisseur mit Debutfilm

15 Mai

Montag, 15. Mai 2023

Autor(in): Hartmut E. Lange

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Im Kinosaal der Cinèmathèque francaise sitzen sie immer ganz vorne, an manchen Tagen ziehen sie sich drei Filme hintereinander rein. Wenn es sowas wie Stammgäste auf den roten Samtsesseln gibt, dann sind es diese drei Filmbesessenen: Francois, Jean-Luc, und Suzanne. Sie suchen keine Unterhaltung auf der flimmernden Leinwand, sie suchen Antworten auf ihre wichtigste Frage: Wie haben die das gemacht? Die - das sind Charly Chaplin, Orson Wells, Ingmar Bergman, Alfred Hitchcock. Die Großen des Kinos sind ihre Dozenten, die Cinèmathèque du Paris ist ihre Filmhochschule.

Mit spitzer Feder gegen behäbiges Kino

Francois verdient seine Brötchen mit Filmkritiken. Seit 1953 schreibt er für renommierte Blätter, vorwiegend für die monatlich erscheinenden Cahiers du cinèma, die Film-Hefte. In seinen Artikeln wettert er gegen das behäbige Nachkriegskino, attackiert die alten Herren in ihren Regiestühlen, die noch immer Mantel-und-Degen-Filme und langweilige Kostümschinken drehen, als gäbe es im Frankreich der 50er Jahre keine Gegenwartsgeschichten zu erzählen. Die Angegriffenen sind beleidigt, wehren sich aber nicht mit Worten, sondern mit Intrigen. 1958 sorgen sie dafür, dass der scharfzüngige Kritiker aus Paris keine Akkreditierung für die Filmfestspiele in Cannes bekommt.

Im Jahr darauf braucht Francois diesen Ausweis nicht mehr, er ist mit seinem ersten Langspielfilm an die Cote d‘ Azur eingeladen. Am 15. Mai 1959 erhält Francois Truffaut die Goldene Palme als bester Regisseur für Sie küssten und sie schlugen ihn. Er erzählt darin die Geschichte des 14-jährigen Antoine Doinel, der in ärmlichen Verhältnissen lebt, gern die Schule schwänzt und jede Menge Streiche anstellt.
Der Film trägt autobiografische Züge. Auch Truffaut ist ein uneheliches Kind, dessen Mutter ihn nicht gerade mit Liebe überschüttet, ihn oft vernachlässigt und spüren lässt, dass er ihr im Wege ist. Truffaut kritisiert in seinem Film die Erziehungsmethoden der Elterngeneration und des französischen Schulsystems der Nachkriegsjahre.

Anführer der Nouvelle Vague

Bester Regisseur! Mit 27 Jahren! Truffauts Erstlingswerk ist nicht nur ein beeindruckender Karrierestart, es ist auch der Anfang eines neuen Zeitalters im französischen Kino, der Beginn der Nouvelle Vague. Ein Jahr später folgt der nächste filmische Paukenschlag aus dem Cineasten-Trio, Jean-Luc Godard setzt die Neue Welle mit seinem Debütfilm fort: Außer Atem basiert auf einer Drehbuchvorlage von Francois Truffaut.

Und was ist mit Suzanne? Sie wird Truffauts rechte Hand. Suzanne Schiffman ist Script- und Regieassistentin, Casting-Chefin, und schließlich unverzichtbare Co-Autorin. 7 Drehbücher seiner insgesamt 22 Filme schreibt Truffaut gemeinsam mit ihr. Den größten Erfolg feiern sie 1974 in Los Angeles. Ihr Film Die amerikanische Nacht, eine bis heute unübertroffene Liebeserklärung ans Filmemachen, erhält den Oscar als bester ausländischer Film.

Als der Regisseur im Oktober 1984 stirbt - mit nur 52 Jahren - gibt es am nächsten Tag nur ein Thema im Kino-Land Frankreich. Alle Zeitungen haben denselben Aufmacher: sein Foto, und der Name in fettgedruckten Lettern - Francois Truffaut.


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