Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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5. Januar 1953 Uraufführung von Becketts "Warten auf Godot"

Wird wahrscheinlich wieder nichts! Samuel Beckett war alles andere als überzeugt von den Erfolgaussichten seines neu geschriebenen Theaterstücks "Warten auf Godot". Am 5. Januar 1953 hatte das Stück dann Premiere und die Welt eine neue Theatersensation.

Stand: 05.01.2011 | Archiv

5. Januar 1953: Uraufführung von Becketts "Warten auf Godot" (5.1.1953)

05 Januar

Mittwoch, 05. Januar 2011

Autorin: Gabriele Bondy

Sprecherin: Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Im Herbst 1948 hatte er das Stück begonnen und im Frühjahr des folgenden Jahres beendet. Während er das Schreiben seiner Romane eher als mühevoll und kräftezehrend empfand, erschien ihm die Bühnenarbeit als "herrliche und befreiende Abwechslung". Der in Dublin geborene Samuel Beckett, der damals in Paris lebte, beschloss, fortan auf Französisch zu schreiben. Ein Versuch, sich von den Erinnerungsspuren seiner Muttersprache zu befreien und dem "anglo-irischen Redeschwall und dessen Automatismen zu entfliehen". "En attendent Godot" wird Beckett später - wie andere Werke auch - selbst ins Englische übersetzen.

Mit dem Titel "Waiting for Godot" ist bereits alles über die Handlung gesagt. Warten heißt das Programm. Die ersten Worte, die im Stück gesprochen werden: "Nichts zu machen". Die beiden Hauptakteure - Estragon und Wladimir - befinden sich an einem zeitlich und geografisch undefinierbaren Ort. Sie hoffen auf das Erscheinen einer Person namens Godot, über die sie jedoch nichts Genaues wissen. Ziel und Zweck ihrer Verabredung bleiben unklar.

Es war nicht leicht, das Stück auf die Bühne zu bringen. Becketts Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Suzanne Deschevaux-Dumesnil ging mit dem Manuskript bei den Pariser Theaterleuten buchstäblich "hausieren". Während der schüchterne und stets von Misserfolgsgewissheit geplagte Dichter im Café saß, "Däumchen drehte" und sich "raushielt". Der Regisseur und Schauspieler Roger Blin - entschlossen, "Godot" zu realisieren - machte sich auf die langwierige Suche nach Geld und einem geeigneten Aufführungsort. Am 5.Januar 1953 hatte das Stück dann im "Théatre de Babylone" Premiere. Die Bühne - von Beckett auch für alle folgenden Aufführungen so bestimmt - blieb bis auf einen Baum leer. Ebenso leer war das Gerede, mit dem sich Estragon und Wladimir die Langeweile beim Warten zu vertreiben suchten.

Doch wer war dieser Godot eigentlich? Gott etwa? Handelte es sich bei den Wartenden um die Verkörperung dieser tief sitzenden menschlichen Hoffnung auf einen Heilsbringer und Sinnstifter für eine triste Welt? Das ist sicher bis heute die populärste Interpretation. Weitere zeitgenössische Erklärungsversuche gipfelten darin, dass es sich bei Estragon und Wladimir um zwei Juden auf der Flucht vor den Nazis handelt und bei Godot um den Fluchthelfer der Résistance, der aber nicht erscheint ... Oder war Godot gar die Symbolfigur Charles de Gaulles, auf die man im von den Deutschen besetzten Paris verzweifelt gehofft hatte?

Übrigens: Der Legende nach, soll Beckett auf den Titel "Warten auf Godot" - der längst zur alltäglichen Redewendung geworden ist - bei einer Tour-de-France-Etappe gekommen sein. Als das Rennen beendet schien und er gehen wollte, blieben aber noch etliche Besucher am Straßenrand stehen. Sie warteten angeblich auf den langsamsten Fahrer der Tour - eben auf Godeau!

Doch für Beckett selbst blieb die Frage nach der wahren Identität seiner unsichtbaren Hauptperson belanglos: "Wenn ich Gott gemeint hätte, hätte ich Gott gesagt und nicht Godot!"

Das Publikum der ersten Aufführung blieb zunächst zurückhaltend. Doch als es zu Auseinandersetzungen und Tumulten im Theater kam, wurde "Warten auf Godot" zur Theatersensation - zunächst in Paris und dann in aller Welt - und Beckett zum reichen Mann. Die Schattenseite dieses Erfolges war eine lang anhaltende Schreibblockade - so dass der Autor zunächst befürchtete, "nie mehr etwas anderes schreiben zu können."


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