4. Oktober 1971 Atomuhr checkt für Einstein ein
Am 4. Oktober 1971 reisen zwei US-amerikanische Wissenschaftler mit einem Linienflug um die Welt. Im Handgepäck - vier Atomuhren, groß wie Schränke. Mit dem Hafele-Keating-Experiment wollen sie die allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins beweisen: Wer sich schnell bewegt, für den vergeht die Zeit langsamer. Autorin: Prisca Straub
04. Oktober
Mittwoch, 04. Oktober 2023
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Frank Halbach
Die Standard-Sicherheitsgurte kommen erst gar nicht infrage. Dafür ist das Gepäck viel zu sperrig - selbst für die Reise in einem Jumbo-Jet. Der US-amerikanische Physiker Joseph Hafele und sein Kollege Richard Keating ruinieren sich die schicken Anzüge, als sie die sperrigen Boxen an Bord hieven: jede so groß wie eine Waschmaschine, 60 Kilo schwer - und erst das Innenleben ... hochempfindlich! Schließlich bekommen die vier Atomuhren eigene Sitzplätze. In der allerersten Reihe. Die Flugtickets sind ausgestellt auf den Namen - "Mr. Clock". Die Weltumrundung kann beginnen.
Das Hafele-Keating-Experiment
Die Idee, hochpräzise Atomuhren an Bord eines Linien-Flugzeugs zu bringen und mit ihnen um den Globus zu jetten, war Teil eines aufsehenerregenden physikalischen Experiments. Es ging um etwas Unerhörtes: Albert Einstein auf die Probe zu stellen - und seine allgemeine Relativitätstheorie. Zeit vergeht nicht an jedem Ort gleich schnell, hatte Einstein behauptet, sondern ist unter anderem abhängig von der Geschwindigkeit. Wer sich schnell bewegt, für den vergeht die Zeit langsamer. Wer zum Beispiel in einem atemberaubend schnellen Raumschiff unterwegs wäre, der würde nach der Rückkehr auf die Erde feststellen, dass die Menschen dort wesentlich älter geworden wären als er selbst.
Bislang ein reines Gedankenexperiment. Doch mit einer ultra-genauen Cäsium-Atomuhr müsste es doch zu überprüfen sein, so der Physiker Joseph Hafele von der Washington University: Je schneller sich ein x-beliebiges Flugobjekt bewege, desto langsamer müsste eine Uhr an Bord doch ticken! Man bräuchte sie nur nach der Landung mit einer identischen Kontroll-Uhr am Boden abzugleichen. Oder etwa nicht? - Als der Kollege Richard Keating von der Idee erfährt, reagiert er zunächst skeptisch.
Was für ein abgehobener Plan! Er, Keating, ist schließlich Atomuhr-Experte an einem Forschungsinstitut der US-Marine - "Abteilung Zeitmessung" - und von einer Zeitdifferenz nach Flügen hat er noch nie etwas bemerkt. Er kann es nicht leiden, wenn selbstgefällige Professoren damit prahlen, sie wüssten alles besser ...
"Mr. Clock" reist um die Welt
Trotzdem: Am 4. Oktober 1971 sitzt Richard Keating mit seinem Kollegen Hafele an Bord einer Boeing 747 - neben ihren Atomuhren. "Boarding completed!" Von Washington aus geht es ostwärts einmal rund um den Globus. Mit Zwischenlandungen, ein normaler Linienflug. Die Reise ist schlauchend. Die Passagiere beunruhigt, als sie erfahren: Das da vorne sind irgendwelche Atomgeräte. Noch dazu steht das Gehäuse einer der Uhren unerklärlicherweise unter Strom und teilt Schläge aus. Keating bekommt kaum Schlaf. Dann, ein paar Tage später alles retour - die Reise in umgekehrter Richtung, westwärts, gegen die Erdrotation.
Nach ihrer Rückkehr setzt Professor Hafele die gesammelten Daten in Einsteins Gleichung ein. Und tatsächlich: In östlicher Richtung ging die Uhr nach: um 59 Milliardstel Sekunden. Beim Flug in westlicher Richtung war der Effekt umgekehrt. Einstein hatte also Recht. - "Mr. Clock" bemerkt solche Feinheiten. Andere Mitreisende natürlich nicht.