21. Februar 1977 Jakob der Lügner wird für den Oscar nominiert
Es war die einzige DDR-Produktion, die je für den Oscar als bester fremdsprachiger Film nominiert wurde: "Jakob der Lügner". Denn die schauspielerischen Leistungen des Ensembles sind überragend und jenseits aller larmoyanter Klischees. Das Lexikon des Internationalen Films schrieb: "Ein Zeugnis tiefer Menschlichkeit." Autor: Hartmut E. Lange
21. Februar
Dienstag, 21. Februar 2023
Autor(in): Hartmut E. Lange
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Die Geschichte hat ihm sein Vater erzählt, verbunden mit der eindringlichen Bitte: Schreib sie auf, mein Junge, du kannst das doch.
Und ob er das kann! Nach dem Studium der Philosophie an der Humboldt-Uni geht Sohn Jurek an die Filmhochschule Babelsberg, wo er seine wahre Begabung entdeckt: Geschichten erzählen. Seitdem hat die DEFA mehrere Drehbücher von ihm verfilmt.
1963 erfüllt er endlich den Wunsch des Vaters, schreibt die Geschichte von Jakob, dem Lügner, auf, und reicht sie im Spielfilmstudio ein. Schauplatz ist ein jüdisches Ghetto im besetzten Polen 1944. Jakob behauptet gegenüber seinen Leidensgenossen, ein Radio zu besitzen, was von den Nazis verboten, also lebensgefährlich ist. Mit erfundenen Nachrichten - von der anrückenden Roten Armee, und der baldigen Befreiung - will er den Überlebenswillen der verzweifelten Ghettobewohner stärken. Hoffnung entsteht, die Selbstmorde hören auf, Zukunftspläne für ein Leben ohne gelben Stern werden geschmiedet.
Guter Rat vom besten Freund
Jahre vergehen, Jureks Drehbuch liegt immer noch unberührt in einer Schublade der DEFA Dramaturgie. Der junge Mann ist frustriert, erzählt seinem besten Freund davon. Manne, wie Manfred Krug von Freunden und Fans genannt wird, gibt seinem einstigen WG-Kumpel einen klugen Ratschlag: Wenn du so überzeugt bist von deiner Story, mach doch Prosa draus. 1969 erscheint Jakob der Lügner im Aufbau Verlag. Der Debütroman des bisher unbekannten Drehbuchautors wird ein Riesenerfolg, und Jurek Becker ein bekannter Schriftsteller.
Die berührende Geschichte über die lebensrettende Kraft der Fantasie in unmenschlichen Zeiten findet auch im Westen große Beachtung, das ZDF bemüht sich um die Filmrechte.
Von Babelsberg nach Hollywood
Inzwischen planen DEFA und DDR-Fernsehen eine Co-Produktion. Frank Beyer, der wegen des Films "Spur der Steine" ans Theater Dresden verbannt wurde, ist in die Branche zurückgekehrt, er erhält den Regieauftrag. Ein Telegramm vom Starnberger See sorgt für Aufregung, Heinz Rühmann interessiert sich für die Hauptrolle. Die Produzenten wollen auf Nummer Sicher gehen, also landet der verlockende Besetzungsvorschlag auf Honeckers Schreibtisch. Der SED-Chef lehnt ab, eine deutsch-deutsche Zusammenarbeit ist nicht erwünscht.
Frank Beyer besetzt die Hauptrolle mit einem tschechischen Filmstar, den er schon aus seiner Prager Zeit kennt, als er an der renommierten Filmfakultät FAMU Regie studierte.
Dezember 1974, Jakob der Lügner hat Premiere im DDR-Fernsehen, der Kino-Start folgt im Frühjahr. Team und Schauspieler werden mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Auf der 25. Berlinale läuft er im Wettbewerb, Hauptdarsteller Vlastimil Brodsky erhält den Silbernen Bären. Und dann - Hollywood! Am 21. Februar 1977 wird Jakob der Lügner für den Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film nominiert.
Er bekommt die goldene Statue nicht, bleibt aber der einzige DDR-Film, der für den begehrtesten Filmpreis der Welt ausgewählt wurde.
Apropos Hollywood, auch in Berlin gibt es einen Walk of Fame. Goldglänzende Sterne im Gehweg erinnern am Potsdamer Platz an die ganz Großen des deutschen Films, einer trägt den Name Frank Beyer.