30. Mai 1431 Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen
Sie ist Heldin in Romanen und Theaterstücken. Fernseh- und Kinofilme gibt es zuhauf über das Leben der jungen Frau, die einst mit göttlicher Eingabe die Engländer aus Frankreich vertrieb. Doch so glorreich die reale Geschichte der Johanna von Orleans beginnt, so grausam endet sie. Autorin: Susanne Hofmann
30. Mai
Donnerstag, 30. Mai 2024
Autor(in): Susanne Hofmann
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen – so die Antwort des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt auf die Frage eines Journalisten nach seiner politischen Vision. Visionen standen demnach bei dem Altkanzler nicht besonders hoch im Kurs.
Ganz anders sah das vor rund 600 Jahren aus. Damals, weit vor dem Zeitalter der Aufklärung, hatten Visionen, insbesondere prophetische Visionen religiöser Art, noch einen guten Ruf. Die Menschen erlebten ihre Welt als durchlässig, offen für Signale aus dem Jenseits. Man war überzeugt: Auserwählte empfingen göttliche Botschaften, ihnen erschienen verstorbene Heilige, sie hörten Stimmen. Derlei Erfahrungen eröffneten den Zugang zur göttlichen Welt.
Visionen als Kanal nach oben
Insofern mag es den Zeitgenossen auch nicht so unerhört vorgekommen sein, was Anfang des 15. Jahrhunderts einem französischen Bauernmädchen widerfuhr: Jeanne war erst 12 Jahre alt, als sie plötzlich Stimmen vernahm. Himmlische Stimmen, die außer ihr niemand hörte. Die Stimmen forderten sie dazu auf, das Königreich Frankreich zu retten. Damals tobte der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England: Es ging dabei um den französischen Thron, auf den auch der englische König Anspruch erhob. Im Laufe des Krieges besetzten englische Truppen Nordfrankreich samt Paris. Sie belagerten die Stadt Orléans, das Tor zu Südfrankreich.
Gegen England
Die Stimmen der Heiligen trugen Jeanne auf, die Engländer aus Frankreich zu vertreiben und dem französischen Kandidaten Charles auf den Thron zu verhelfen. Vermutlich war das Mädchen von der göttlichen Weisung erst einmal überfordert. Doch als die Stimmen nicht verstummen, macht sich die inzwischen 17-Jährige auf den Weg zu Charles, bringt ihr Anliegen vor – und stößt bei dem streng gläubigen Katholiken auf offene Ohren. Immerhin verspricht sie ihm göttliche Hilfe, um König zu werden. Er überlässt ihr eine kleine Armee, Jeanne führt sie in die Schlacht, in Ritterrüstung und mit erhobenem Schwert. Ihr Schlachtruf:"Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?" Und, siehe da, sie hat Erfolg. Sie gewinnt die entscheidende Schlacht von Orléans, vertreibt die Engländer aus der Stadt und bricht damit deren Siegesserie. Getragen von einer Welle der Begeisterung zieht Jeanne nach Reims ein. Dort wird Charles zum König von Frankreich gekrönt. Jeanne, die Jungfrau von Orléans, wohnt der Zeremonie bei, steht mit ihrer Standarte neben dem Altar.
Doch ihr Schicksal erfährt eine Wendung: Der junge König hört fortan nicht mehr auf ihre Eingebungen, sie erleidet militärische Niederlagen und gerät in die Gefangenschaft der Engländer. Die halten sie für eine Ketzerin, vom Teufel besessen, und machen ihr in Rouen den Prozess. Die Original-Protokolle dieser Inquisition zeigen Jeanne als aufrechte, schlagfertige Frau. Das alles hilft ihr aber nicht. Am 30. Mai 1431 wird Jeanne im Alter von 19 Jahren bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ihre Asche wird in der Seine verstreut, aus Sorge, die Franzosen könnten sie sonst als Reliquie verehren. Das hat nicht verhindert, dass Jeanne d’Arc zum nationalen Mythos wurde. Sie steht für Mut, Entschlossenheit und die Kraft des Glaubens.