11. Mai 1847 Johannes Rebmann entdeckt den Kilimandscharo
Als Winzersohn aus Baden-Württemberg zieht es Johannes Rebmann nach Afrika. Missionieren will er, wandern weniger. Als er dann aber den Kilimandscharo entdeckt – Schneegipfel in Afrika -, ist alles anders. Als erster Europäer steht er vor dem heute berühmtesten Berg des Kontinents.
11. Mai
Dienstag, 11. Mai 2021
Autor(in): Eva Demmelhuber
Sprecher(in): Christian Baumann
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Die Füße! Ach, die Füße! Geschwollen, wundgerieben, brandig wollen sie keinen Schritt weiter. Nicht in diesen durchweichten, viel zu schweren Stiefeln. Aber sie müssen. Denn noch ist der Weinberg des Herrn nicht bestellt. Und nur dazu ist Johannes Rebmann im Sommer 1846 nach Ostafrika gekommen. Nur darum hat der Winzersohn aus dem Königreich Württemberg Arabisch, Kamba, Swahili und Kikuyu gelernt, nur darum zieht seit zwei Jahren missionierend von Hütte zu Hütte, von Dorf zu Dorf.
Und was er hat ausgerichtet? Nichts! In Mombasa und an der Küste ist der Islam eingewurzelt, hier lässt sich keine Seele zum Protestantismus bekehren. Dazu muss er ins weglose Hinterland aufbrechen und dorthin gehen, wo das Volk der Chagga zurückgezogen in schwer zugänglichen Gebirgsdörfern lebt.
Soweit die Füße tragen
Zwei Wochen ist Rebmann jetzt schon unterwegs, begleitet von neun Trägern, geschützt allein durch grenzenloses Gottvertrauen und einen ungeheuren schwarzen Regenschirm. Zehn Stunden täglich marschiert der Trupp durch das brodelnde Grün der Wälder, durch Wurzelgeschling und Dornengewirr. Nachts, wenn etwas Lauerndes das Feuer umkreist, spinnen die Träger Geschichten, erzählen von Kriegern, Jägern, Göttern und immer wieder von einem wie Mondlicht schimmernden Berg im Herzen des Chaggagebiets. Aber wehe! Kommt dem Kilimandscharo nicht zu nahe! Wo sein Silbergipfel die Wolken durchstößt, hausen Dämonen und töten jeden, der nach ihren Schätzen greift.
Hinauf!!
Je öfter Rebmann das Geistergerede hört, desto klarer wird ihm sein Auftrag: er muss das Wort Gottes in diese Finsternis tragen. Also weiter, trotz schwärender Füße tiefer hinein ins gestaffelte Gewoge endloser Kämme und Grate. Aber mit jedem Tag wird der Weg beschwerlicher. Die Nächte sind kalt, Regengüsse erzwingen lange Marschpausen, Nebel verstellt die Sicht.
Am 11. Mai 1847, gegen 10 Uhr morgens, reißt der Dunst plötzlich auf. Aus brauendem Dampf wächst ein mächtiger Kegel auf, verriegelt breit den Horizont, steigt schroff, schwarz, karg und kahl himmelan, überwölbt von gleißender Helle. Was ist das, das Weiße und Blendende? Sind das Wolken? "Nein", sagt der Führer und reibt seine Arme: "baridi", Kälte! Da versteht Rebmann, begreift schlagartig Legende und Realität: Der Kilimandscharo, der schimmernde Mondberg, ist keine Karawanenlegende. Es gibt ihn, wirklich und wahrhaftig. Da steht er vor ihm mit seiner glänzenden Haube aus ewigem Eis! Und er, der Missionar aus dem Königreich Württemberg, er hat ihn als erster Europäer erblickt.
Der begeisterte Bericht, den Rebmann wenig später in einer Londoner Missionszeitschrift veröffentlicht, trägt ihm statt Ehre und Entdeckerruhm nur Spott und Skepsis ein. Ein Schneeberg am Äquator? Einfach lächerlich! Völlig absurd! Da ist ein frommer Wichtigtuer wohl seinen Hitzedelirien aufgesessen! Es dauert 15 Jahre, bis der Geologe Richard Thornton die Existenz des Gletschers bestätigt. 200 Jahre danach ist von der Eiskappe nicht mehr viel übrig. Schnee am Kilimandscharo? Das war einmal und ist bald wieder Legende: Viel zu heiß in Afrika, viel zu heiß überall!