Bayern 2 - Das Kalenderblatt


1

6. Mai 1717 Marion du Faouët wird der weibliche "Robin Hood" der Bretagne

Um 1750 machte eine Bande Straßenräuber die Bretagne unsicher. Angeführt wurde sie von einer Frau: Marion du Faouët. Was die junge Bandenführerin antrieb, war ein radikaler Gerechtigkeitssinn. Autorin: Christiane Neukirch

Stand: 06.05.2020 | Archiv

06.05.1717: Marion du Faouët wird der weibliche "Robin Hood" der Bretagne

06 Mai

Mittwoch, 06. Mai 2020

Autor(in): Christiane Neukirch

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Mitte des 18. Jahrhunderts war Reisen eine gefährliche Angelegenheit. Auf holprigen Straßen brachte man nicht nur die Ordnung der eigenen Rückenwirbel durcheinander, sondern oft auch die Struktur des Fahrzeugs: Die gefürchtetste Panne war der Achsbruch weit weg von jeder Werkstatt.

Doch noch schlimmer waren die Straßenräuber. Mancher Handelsreisende verlor Hab, Gut oder gar Leben, wenn eine Bande skrupelloser Männer mit baumstammdicken Unterarmen, Messern und Pistolen finanzielle Forderungen stellte.

Hände hoch!

Umso überraschter dürften reisende Geschäftsleute in der Bretagne gewesen sein, als eine junge, attraktive Frau sich ihnen in den Weg stellte. Natürlich nicht alleine: unter ihrem Kommando stand eine kleine aber feine Truppe von männlichen Mitarbeitern. Der erste, der einen solchen Vorfall meldete, war Schneidermeister Hellou im Jahr 1743. Dies geschah in der Umgebung des Ortes Le Faouët im äußersten Nordwesten des heutigen Frankreich.

Nicht nur ist das Räubergewerbe seit jeher eher eine klassische Männerdomäne – auch entstammten die meisten Angehörigen dieses Berufs damals ungebildeten Schichten. Dazu muss man sagen, dass die meisten Menschen aus "ungebildeten" Schichten stammten, denn Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und komplexes Rechnen waren der reichen Oberschicht vorbehalten.

Eine Dame an der Spitze?!

Diese Bandenführerin war nun weder ein Mann, noch war sie ungebildet: sie hatte sich Lesen und Schreiben von einem Freund beibringen lassen. Was trieb sie dazu, das Risiko eines Räuberlebens einzugehen? Kurz gesagt: Zorn.

Rückblende: Marie-Louise Tromel, so hieß die forsche junge Frau, wurde am 6. Mai 1717 in ein Elternhaus geboren, dessen Zusammensetzung für damalige Zeiten höchst ungewöhnlich war.

Ihr Vater stammte aus einer eher wohlhabenden Schicht, die Frau seiner Wahl aber aus ärmsten Verhältnissen. Ihm wurde deshalb das Erbe entzogen, und so lernte er, was Frondienst bedeutete; und nicht nur er: auch seine Tochter. Für eine Frau hieß das oft genug, dem Lehnsherren auch mit ihrem Körper zu Diensten zu sein.

Nach einigen tragischen Vorfällen beschloss Marie-Louise, nie mehr zu dienen. Sie floh und gründete die erwähnte Räuberbande. Ihre Mission: reichen Kaufleuten Geld abnehmen und – nach Abzug der Spesen – an Bedürftige verteilen. Mitstreiter zu finden, war nicht schwer: Männer schwärmten für sie, ihre Schönheit, ihre Wildheit und Entschlossenheit – und für ihre feuerroten Haare. Dieser Umstand kam ihr auch in kniffligen Situationen zugute. Denn nicht nur einmal wurde sie gefasst. Sie entkam dem Galgen immer wieder – oft genug durch Fürsprache von einflussreichen Männern.

Als weiblicher "Robin Hood" der Bretagne hatte auch sie bald einen Spitznamen: "Marion du Faouët".

1754 wurde sie das letzte Mal gefasst. Diesmal entkam sie nicht. Ein knappes Jahr später wurde sie gehängt. Danach lebte sie weiter als Figur der Legenden und Lieder; Feministinnen gilt sie als Heldin. Es bleibt zu hoffen, dass immer mehr Frauen weltweit ihr Leben frei gestalten können, ohne dafür zur Straßenräuberinnen werden zu müssen.


1