13. September 1911 Melli Beese erhält als erste Frau Pilotenlizenz
Ein Flugzeug fliegen ist keine leichte Sache. Schon gar nicht, wenn einen die Kollegen männlichen Piloten nicht abheben lassen wollen, weil man eine Frau ist, und manipulieren, was das Zeug hält. Melli Beese findet dennoch einen Weg gen Himmel als erste Frau mit Pilotenlizenz. Autorin: Katharina Hübel
13. September
Mittwoch, 13. September 2023
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Es ist die Flugzeugführerlizenz Nummer 115. Nur 114 andere Deutsche haben den Pilotenschein früher erhalten. Und Melli Beese ist die erste deutsche Frau, die diese Prüfung geschafft hat. Eigentlich ist sie gelernte Bildhauerin und Hochsee-Seglerin. Für das Kunststudium war sie nach Stockholm gegangen, weil sie als Frau im Kaiserreich nicht studieren durfte. Pilotin allerdings ist gesellschaftlich auch nicht vorgesehen.
Nichts für Mädls
Fliegen gilt als Sport für harte Kerle, als Disziplin für Superhelden, als Pioniertat, als Abenteuer. Dass auch Frauen sich so hoch hinauswagen - eine Bedrohung. Wenn sie es schaffen, ein Flugzeug zu fliegen - dann können die Männer einpacken! Dabei ist und bleibt es Anfang des 20. Jahrhunderts schlicht lebensgefährlich - egal ob ein Mann oder eine Frau die kleinen Ein-Mensch-Konstruktionen steuert, im offenen Cockpit, mit Ganzkörperfellen und großen Fliegerbrillen Kälte und Wind trotzend.
Immer wieder Sand ins Getriebe
Im Fall von Melli Beese wissen immer wieder Männer zu verhindern, dass sie abhebt. Drei Mal wird sie von Flugschulen abgewiesen, bis sich überhaupt ein Fluglehrer findet. Dann: Beim ersten Schulflug auf zwanzig Metern Höhe springt eine Antriebskette von der Motorwelle, Melli Beese stürzt ab, bricht sich das Bein, die Rippen und die Nase. Ihr Lehrer - zutiefst abergläubisch, was verunglückte Frauen in Flugzeugen angeht - lehnt es ab, sie weiter zu unterrichten. Melli Beese sucht sich die nächste Flugschule. Doch dort wird sie von den anderen Flugschülern sabotiert: Verrußte Zündkerzen, abgelassene Benzintanks. Sie merkt es leider erst in der Luft. Melli Beese muss nicht nur einmal notlanden.
Schließlich ist die Pilotenanwärterin gewarnt und checkt das Flugzeug vor dem Flug noch gewissenhafter. Und entdeckt vor ihrem nächsten Flug tatsächlich eine lebensgefährliche Manipulation. An den Tragflächen ihres Flugzeugs ist herumgeschraubt worden. Der Fluglehrer spielt es als Streich herunter. Logisch, dass sich die Mitschüler von einer Frau im Cockpit provoziert und herausgefordert fühlen.
Melli Beese reicht es mit den Flugstunden. Am Technikum Dresden hat sie alles über Mechanik und Fliegen in der Theorie gelernt, sie traut sich auch den Flug zu: Sie legt 3.000 Mark auf den Tisch und meldet sich zur Pilotenprüfung an - ohne ausreichend Übungsflüge absolviert zu haben. Kaum abgehoben, setzt der Motor aus. Notlandung. Melli Beese nimmt einen zweiten Anlauf. Diesmal trickst sie die Saboteure aus. Sie steht vor allen anderen auf und legt die Prüfung so früh in die Morgenstunden, dass weder ihr Fluglehrer noch die Mit-Schüler am Flugplatz sind. Außerdem hat sie sich einfach ihre eigenen Prüfer besorgt und ein Presseaufgebot, das für die Geschichtsbücher festhält, wie sie abhebt: Als "die junge Kandidatin, im kleidsamen Fliegerinnendress", die "schneidig los fliegt" wird sie von den Berliner Zeitungen gefeiert. Sie ist auf einmal "der Clou der Woche", das "Flying Girl". Am 13. September 1911, erhält die 25-jährige Amelie Hedwig Beese offiziell die Lizenz zur Flugzeugführerin.