Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. März 1662/1895/1906 Die Eroberung der nächsten Nähe

Immer geschah es an einem 18. März: 1662 fährt das erste Nahverkehrsmittel durch Paris, 1895 der erste Omnibus ohne Pferde, und 1900 schafft Traian Vuia die ersten 12 Meter durch die Luft mit einem "fliegenden Automobil". Warum? Weil der Mensch nicht zu Fuß gehen will.

Stand: 18.03.2010 | Archiv

18. März 1662/1895/1906: Die Eroberung der nächsten Nähe

18 März

Donnerstag, 18. März 2010

Autor: Xaver Frühbeis

Redaktion: Thomas Morawetz

Der Mensch will vorwärts kommen. Und das möglichst bequem. Gehen Sie mal auf eigenen Füßen irgendwo hin, und Sie werden merken: Das muss nicht sein. Aber: man kann sich ja auch fahren lassen. Geht bequem und fix, und muss nicht viel kosten. Die "Fünfgroschenkutschen", auf Französisch: "Carosses à cinq sous", waren eine Idee des Mathematikers und Philosophen Blaise Pascal. Eine große Mietkutsche mit Platz für acht Passagiere, der Kutscher, anstatt auf Kundschaft zu warten, fährt eine festgelegte Linie ab, an bestimmten Straßenecken hält er an, da kann man ein- und aussteigen, so hat er immer Fahrgäste, und für die ist es billig und bezahlbar. Der König selbst gab das Monopol dazu, ein paar Adelige halfen bei der Finanzierung, und am 18. März 1662 fuhr die erste der sieben "Cinq sous"-Kutschen los, in Paris, an der "Porte Saint-Antoine". Es war das erste regelmäßig verkehrende, öffentliche Nahverkehrsmittel, eine revolutionäre Idee und für die Leute ganz großartig, aber: nicht für alle. Das Parlament der Stadt war der Meinung, dass niedere Stände nicht in Kutschen gehörten. Bauern, Handwerker und gewöhnliche Soldaten durften nicht mitfahren. Folglich rentierte sich die Sache nicht, und ein paar Jahre später wurde der Betrieb eingestellt.

Und: das zu Fuß gehen war weiterhin mühsam. Stellen Sie sich einen Arbeiter vor, der morgens um sieben in der Fabrik sein muss. Er wohnt in dem Dörfchen Netphen, die Fabrik steht 10 Kilometer entfernt in der Stadt Siegen, und unser Arbeiter braucht jeden Tag, frühmorgens, unausgeschlafen und zu Fuß, zweieinhalb Stunden. Das hat was. In Netphen jedoch hatte man einen Pferdekutschen-Omnibus eingeführt, den durfte unser Arbeiter benutzen. Und eines Tages, es war am 18. März 1895, hatte dieser Omnibus plötzlich keine Pferde mehr. Dafür einen höchst modernen Motor der Firma "Benz & Companie". Fünf PS, ein Zylinder, fünfzehn Stundenkilometer.

Es war der erste benzinbetriebene Omnibus der Welt. Das Problem war: Manchmal ging es auf der Strecke bergauf. Die Pferde packten das, der Motor nicht. Die Passagiere mussten aussteigen und schieben. Außerdem waren die Straßen voller Löcher, der Omnibus wackelte und stieß, die Vollgummibereifung hüpfte von den Rädern, und wenn eine Kutsche entgegenkam, wurden der die Pferde scheu. Es war also nicht das Gelbe vom Ei, die Sache rentierte sich nur mäßig, und ein paar Monate später wurde der Benzinomnibusbetrieb schon wieder eingestellt.

Und so war auch das Gefahrenwerden weiterhin mühsam und beschwerlich. Fliegen sollte man können. In der Luft gibt's keine Schlaglöcher. Nur ist das von der Physik her unmöglich. Ein fliegendes Auto stürzt auf der Stelle wieder ab. Davon war die Wissenschaft um das Jahr 1900 überzeugt. Trotzdem haben sie dem Rumänen Traian Vuia ein Patent auf ein "fliegendes Automobil" gegeben. Vuia war ein leidenschaftlicher Erfinder von Fluggeräten. Sein erstes Exemplar: ein abgespeckter Einsitzer auf vier großen Rädern, dazu riesige, mit Stoff bespannte Fledermausflügel und vorne ein großer Propeller. Auch der Motor war selbst entworfen und gebaut. Traian Vuia brachte sein Flügelauto in eine große Ebene südlich von Paris, und dann machte er seine Versuche. Erst ohne Flügel, dann mit, wie viel Gas, welche Propellerstellung, welche Flügelwinkel, bis eines Tages, es war der 18. März 1906, nach 50 Metern Fahrt das Ding plötzlich abhob.

Vuia merkte es daran, dass das Gehoppel der Bodenunebenheiten aufhörte. Das Auto hob sich etwa einen Meter hoch in die Luft, flog zwölf Meter weit geradeaus, dann hörte der Motor auf zu arbeiten, und Vuia landete korrekt und sauber. Es war der erste Flug eines Objekts, schwerer als Luft, mit Start aus eigener Kraft. Natürlich waren zwölf Meter nicht die Welt, da musste noch viel geschehen, aber trotzdem: Es geht stetig vorwärts. Und das will der Mensch ja.


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