1. August 1962 Der Räuber Hotzenplotz erscheint
Der Hotzenplotz, der "Mann mit den sieben Messers" - ein Räuber zwar, aber gar kein so schlechter Kerl. Kasperl und Seppel bringen ihn nach haarsträubenden Abenteuern dazu seine kriminelle Karriere an den Nagel zu hängen. Nach dem ersten Roman von 1962 folgten zwei Fortsetzungen und 2018 postum eine kürzere Erzählung. Autorin: Carola Zinner
01. August
Dienstag, 01. August 2023
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Frank Halbach
Es gibt nichts Schöneres auf der Welt als einen Bösewicht von Format. Federhut und Hakennase, Pfefferpistole und sieben Messer, das ist schon mal nicht schlecht - doch richtig prickelnd wird die Sache erst, wenn der Mann von durch und durch gemeinem Wesen plötzlich seine schöngeistige Seite offenbart. Sich etwa auf den ersten Blick verliebt in eine Kaffeemühle, die beim Kurbeln "Alles neu macht der Mai" spielt. Ein einzigartiges Stück, das er unbedingt haben muss. Natürlich klaut Hotzenplotz die Kaffeemühle ungeachtet der Proteste der Großmutter, die die rechtmäßige Eigentümerin ist - das machen Räuber nun mal so. Aber das gute Stück bringt ihm kein Glück, denn der dreiste Raub ruft Kasperl und seinen Freund Seppel auf den Plan. Der weitere Verlauf der Geschichte dürfte einigermaßen bekannt sein; schließlich wurde Otfried Preußlers Buch "Der Räuber Hotzenplotz" seit seinem Erscheinen millionenfach verkauft; daneben gibt es noch Hörspiele, Verfilmungen und mehrere Theaterstücke.
Hotzenplotz zur Erholung
Mit denen ist die Geschichte wieder dort gelandet, wo ihre Ursprünge liegen, im Theater nämlich. Genauer gesagt, im Kasperletheater. Otfried Preußler schöpfte wie kein zweiter deutscher Kinderbuchautor aus dem großen Fundus der Volkskultur. Viele der Geschichten hat er von seiner Großmutter Dora gehört, die ihre Kindheit im Wirtshaus verbrachte, und dann schriftlich weitererzählt. Dabei fand er - wie die Großmutter - die richtige Sprache, um die Kinder zu erreichen. Und auch die richtigen Wörter: Hotzenplotz, eigentlich der Name eines Dorfes im heimischen Mährisch-Schlesien, hatte ihm selbst in seiner Kindheit schon so gut gefallen. Die Geschichte vom gleichnamigen Räuber, so erzählte er später, habe er eigentlich nur geschrieben, um sich zu erholen von seiner Arbeit am "Krabat", seinem Meisterwerk, das erst ganze neun Jahre später fertig wurde.
Auch dort gibt es üble Gesellen, doch sie sind deutlich komplexer als dieser herrlich wilde Räuber Hotzenplotz, der ja trotz allem immer noch netter ist als etwa der fiese Zauberer Zwackelmann und auch ein bisschen armseliger mit seinen bloßen Füßen und dem Stoppelbart.
Drum darf er auch - anders als der Zwackelmann - am Ende überleben und in der nächsten Geschichte gleich weiterrauben in Großmutters Küche; Bratwürste und Sauerkraut sind´s diesmal ...
Die Resozialisierung eines Räubers
Nicht nur Schöngeist also, sondern auch noch Gourmet: So einer, das ist klar, kann auch im zweiten Band nicht auf der Strecke bleiben. Doch dann, im dritten Band, wird er plötzlich ganz brav und zahm; das Resozialisierungsprogramm im Gefängnis hat voll gegriffen, und so sitzt Hotzenplotz nun gemeinsam mit Kasperl und Seppel am Lagerfeuer und spricht über seine berufliche Zukunft. Vorbei ist´s mit dem Räuberleben, und das ist wahrhaftig schade, denn es gibt halt nichts schöneres als einen Bösewicht von Format.
Doch dann wird am Ende doch noch alles richtig, richtig gut. Denn Hotzenplotz sattelt um auf Wirt und eröffnet ein Gasthaus: "Zur Räuberhöhle im Wald". Und das ist nun wirklich die Ideallösung für einen Schöngeist und Gourmet - mit Erfahrungen im Räuberhandwerk.