3. März 1848 Unterschriftensammlung im Münchner Rathaus: Revolution!
Die Bayerinnen und Bayern haben keine Geduld mehr mit ihrem König, sie wollen Reformen. Ludwig I. aber will vor allem eins: Seine Ruhe. Dass die Untertanen ihm so zusetzten und mit Revolution drohen, kann er nicht verstehen und reichlich selbst leid tut er sich auch deswegen. Autor: Simon Demmelhuber
03. März
Freitag, 03. März 2023
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Ja, was denn noch? Soll er ihnen jetzt auch noch die Stiefel lecken? Ludwig I. hat eine Mordswut auf seine Bayern. Aufsässig sind sie geworden, überall schnabeln sie drein, stecken ihre groben Bauernzinken in Sachen, die sie nichts angeh'n. Und am ärgsten ist, dass sie ihn gezwungen haben, Lola Montez aus dem Land zu jagen. Wochenlang haben sie gegen die "spanische Theaterprinzess" gehetzt und geschnappt. Wochenlang haben sie ihr nachts einen Höllenspektakel gemacht, haben gejohlt, gepfiffen, und ihr und ihm die Fenster eingeschmissen. Der Bischof, die Kirche, die Minister, die Zeitungen, alle haben so lang hingebenzt, bis er am End' einlenken und seine muy querida Lolitta ausweisen musste.
Langsam langt´s!
Genutzt hat es nichts. Sie treiben es ärger denn je! Seit neulich die Franzosen schon wieder einen König verjagt haben, geht es in den deutschen Residenzstädten drunter und drüber. Auch in München schneiden sie grimmige Gesichter, zwirbeln trotzig die Bärte auf, verlangen Presse-, Meinungs- und Gedankenfreiheit. Und allein regieren darf er auch nicht mehr. Künftig soll sein Wort nur noch gelten, wenn es ein Minister absegnet.
Nicht mit mir!
Aber da können sie lange warten! Auf dem Ohr ist Ludwig taub und merkt nicht, wie die Wut von unten wächst, wie sich in den Arbeitervierteln die Stimmung dreht, wie Not, Lohnverfall und Teuerung den Thron untergraben. Aber einige besorgte Bürger merken es und setzen eine Bittschrift auf, die den König untertänigst um Reformen ersucht, bevor es zu spät ist. Am 3. März 1848 liegt die Petition im Rathaussaal aus.
In knapp vier Stunden unterzeichnen über 10.000 Münchner das der Majestät demütig ausgehändigte Dokument.
Tags darauf ist der Rathausplatz brechend voll. Abertausende erwarten die Antwort des Königs. Da platzen mitten im Gwurl plötzlich Gerüchte auf wie Eiterbeulen: In der Au rotten sich Arbeiter zum Sturz der Monarchie zusammen. Angeblich hat die Armee das Standrecht verhängt und bringt Kanonen in Stellung. "Manner, jetzt gilt´s!": Etliche Hundert Bürger und Studenten stürzen zum Zeughaus am Anger, erbrechen die Tore, erbeuten eingelagerte Waffen, wälzen sich, Spieße, Pistolen, Gewehre schwingend, auf den Promenadeplatz zu.
Dort mauert schon die Infanterie. Es steht Spitz auf Knopf. Ein Muckser, und das Schießen fängt an. Auf einmal reitet Prinz Carl, der Bruder des Königs, allein und steckerlgrad hinein in die Gewitterschwüle. "Geht`s heim Leut, seine Majestät nimmt alle Forderungen an", mehr sagt er nicht. Erst ist es ganz still, dann fliegen statt Kugeln die Hüte: "Vivat Bayern, vivat Wittelsbach!"
Eigentlich wär' jetzt alles wieder gut. Aber Ludwig bockt, spielt die beleidigte Leberwurst, dankt ab und gießt seinen Gram in schwerblütige Abschiedsverse:
Verlassen und traurig wandelnd
Zieh ich in die Welt hinein,
Denn frei und groß nur handelnd
Mocht' ich euer König sein.
Ich hab' euch sehr geliebet,
Ihr habt mich sehr betrübet,
Das schuf mir arge Pein!
Nix für ungut, Majestät. Aber so schlecht darf niemand reimen. Nicht einmal ein König, der seinem Volk gekränkt davongelaufen ist.