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8. März 1970 "Atem" von Samuel Beckett uraufgeführt. Drama in 35 Sekunden

Kaum jemand hat das Absurde Theater so geprägt wie Nobelpreisträger Samuel Beckett. Der irische Dramatiker hatte große Erfolge. Manche seiner Werke waren selbst dem geneigtesten Publikum aber wohl zu absurd, etwas das Kurzdrama "Atem", eine 35-Sekunden Stück - übers Atmen. Autor: Martin Trauner

Stand: 08.03.2023 | Archiv

08.03.1970: "Atem" von Samuel Beckett uraufgeführt. Drama in 35 Sekunden

08 März

Mittwoch, 08. März 2023

Autor(in): Martin Trauner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Eine Bühne im Halbdunkel. Die Umrisse sind kaum zu erkennen - Auf der Bühne liegt nur Müll. Nach fünf Sekunden ein kurzer Schrei. - Der Autor nennt den Schrei übrigens "Vagitus" – vom Tonband soll er eingespielt werden. -  Dann hört man ein Atmen, 10 Sekunden lang. Das Licht wird heller, nun fünf Sekunden Stille. Das Licht geht langsam aus. Nochmals Atmen und zugleich der "Vagitus". - Vagitus übrigens nennt man medizinisch das Atmen oder das Schreien des Fötus bei der Geburt innerhalb des Geburtskanals. – Aber was soll das alles?

Crazy

"Crazy", also: "Narrisch" würde man gerne sagen. Nun. Das ist ein Theaterstück von Samuel Beckett. Titel: "Atem". - Eines seiner schrägsten. Aufgeführt am 8. März 1970 im Oxford Playhouse. Na ja, Theaterstück, das klingt wohl ein wenig hochgegriffen. Man braucht für dieses Stück keine Schauspieler und abendfüllend ist das Werk ganz und gar nicht. Es dauert alles in allem um die 35 Sekunden. Wenn man die Regieanweisungen ernst nimmt. - Und die Deutung? Klar. Es geht um die Geburt des Menschen bis zu seinem Tode. Ich atme ein, ich atme aus ... .

Samuel Beckett

Den Autor, den Iren Samuel Beckett, den kennt man heute vielleicht noch. Etwa, weil er 1969 den Literaturnobelpreis erhalten hat. Und weil mindestens eines seiner Stücke in die Weltliteratur eingegangen ist. Sein "Warten auf Godot", - "Absurdes Theater" nennt die Literaturwissenschaft das, und lobt Becketts Paradoxien, die Reduktionen auf die Sinnlosigkeit des Daseins oder seine Sprachspiele, die bis zur Sprachlosigkeit gehen.
Nur: Auf gut bayerisch: Wie kommt man denn auf so einen "Schmarrn"? - Na, bei dem Wort "Schmarrn", da muss man hellhörig werden.

Ein Rückblick: Vom Oktober 1936 bis April 1937 reist der junge Samuel Beckett - er ist da gerade mal 30 Jahre alt und als Schriftsteller gänzlich unbekannt - er reist durch Deutschland ein halbes Jahr lang von Nord nach Süd. Er schaut sich die Sehenswürdigkeiten an. Vor allem die Museen, in Hamburg, in Berlin, in Dresden ...  Und letztlich kommt er natürlich auch nach München. Alles irgendwie inspirierend, meint Beckett, aber andererseits notiert er kurz vor seiner Abreise in sein Tagebuch: "Ich bin froh, wenn ich hier weg bin"...

Aber genau einen Tag vor seiner Rückreise wird er Karl Valentin vorgestellt. - Nebenbei: Karl Valentin, der hat nie den Literaturnobelpreis erhalten, trotz seiner Wortakrobatik, etwa: "War es gestern oder war’s im vierten Stock? " - Nun, Valentin führt Samuel Beckett durch seine "Ritterspelunke" in München - Er präsentiert ihm seinen „Winterzahnstocher“. Valentin brabbelt, so schreibt es Samuel Beckett, er spricht unverständlich. Irgendwie "Crazy", irgendwie absurd, findet Beckett. - Und irgendwie existenziell. -

Nun, manche Literaturwissenschaftler meinen, vielleicht hat das Beckett auf den Weg gebracht. Auf den Weg ins Absurde. Bis zur Sprachlosigkeit in seinem späten Werk "Atem".


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