10. November 1903 Mary Anderson erhält das Patent für ihr Scheibenwischermodell
Wir bemerken sie kaum noch, doch sie helfen uns, den Durchblick zu behalten: Die Scheibenwischer. Die haben wir Mary Anderson zu verdanken, die vor 120 Jahren die Urururgroßeltern unserer Wischer erfand. Denn bis da musste man noch aussteigen und selbst wischen. Autorin: Fiona Rachel Fischer
10. November
Freitag, 10. November 2023
Autor(in): Fiona Rachel Fischer
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Manchmal quietschen sie, manchmal schmieren sie, manchmal kommen sie einfach nicht an diese eine Stelle. Doch meistens fallen sie uns gar nicht mehr richtig auf. Was aber würden wir nur ohne sie tun – die Scheibenwischer!
In grauer Vorzeit, als die städtischen Kopfsteinpflasterstraßen noch nicht von Chromschlitten beherrscht wurden und das Automobil auch lange nicht zur Standardausstattung einer Familie gehörte, da musste man noch selbst wischen. Das heißt, aussteigen und wischen. Wenn es also regnete oder schneite, dann war recht schnell Schluss mit der lustigen Spritztour.
Eine verfahrene Situation
Bei Straßenbahnen, dem Fortbewegungsmittel der Zeit, war das Problem einschneidender. Schließlich gab es einen Fahrplan einzuhalten, für den sich Wind und Wetter nicht interessierten. Da blieben den Straßenbahnfahrern nur zwei Möglichkeiten: Eben auch aussteigen und wischen, immer und immer wieder. Oder, die Windschutzscheibe wegklappen, denn das ging damals, um wenigstens ein bisschen sehen zu können. Dabei bekommt jedoch der Fahrer dann alles ins Gesicht, den Wind, den Regen, den Schnee. Nichts davon ist praktisch oder angenehm. Eine verfahrene Situation, wie auch Mary Anderson bei einem Besuch in New York City bemerkte. Es war ein besonders greislicher Tag im Winter 1902, an dem die Bauunternehmerin aus Alabama Zeugin eines solchen Kampfes zwischen Straßenbahnfahrer und Schneeregen wurde.
Das muss doch nicht sein, dachte sie wohl bei sich und skizzierte, zurück in ihrer Heimat, der florierenden Industriestadt Birmingham, das erste Modell eines Scheibenwischers. Ein Hebel, ein Arm mit Gummilippe, der über die Windschutzscheibe schwingen kann.
Federn, die den Wischer gleichmäßig auf das Glas pressen, um die Wischergebnis zu optimieren. Klingt ziemlich bekannt, oder? Dieses Prinzip verwenden wir noch heute. Naja, eben elektronisch und als automatisierten Intervallwischer. Aber auch, wenn man Andersons Version noch vom Lenkrad aus mit Hand hebeln musste, waren ihre Scheibenwischer praktisch die Ururururgroßeltern unserer heutigen Konstruktionen.
Dabei hatten sie übrigens Konkurrenz, denn in Großbritannien und im deutschen Kaiserreich entstanden etwa zeitgleich noch zwei andere Modelle – die jedoch Andersons Wischern nicht das Wasser reichen konnten.
Wischer auf Erfolgskurs
Vor genau 120 Jahren, am 10. November 1903 erhielt die erfinderische Amerikanerin ein Patent für ihre Wunderwischer – die Nummer 743801. Und ganze 17 Jahre lang, da ihre Konstruktion vor Abkupferung geschützt war, interessierte sich praktisch niemand dafür. Der Sturm auf die langen Helferlein blieb aus. Ein Verkaufsversuch 1905 war erfolglos. Warum? Das kanadische Unternehmen, dass es so schnöde ablehnte, Mary Andersons Konstruktion zu vertreiben, war zumindest der Meinung, die Erfindung würde keine einschlägige kommerzielle Wirkung haben. Wer braucht schon Scheibenwischer?
Alle, stellte sich heraus, gerade als das Patent 1920 ablief. Denn da begann langsam der Boom der Autoindustrie und Wischer nach Andersons Prinzip wurden rasch Serienausstattung. Mehr als ein paar geringe Provisionen hatte ihre Erfinderin nicht von ihrer bahnbrechenden Idee. Heute aber gehört das Wummern der schwingenden Scheibenwischblätter fest zu jeder Regenfahrt. Die hat schließlich Anderson erst möglich gemacht.