4. Mai 1891 Sherlock Holmes stirbt
Sherlock Holmes verlangte seinem Schöpfer Arthur Conan Doyle so viel Zeit, dass er ihn schließlich loswerden wollte und sterben ließ. Doch so einfach ließ sich der Meisterdetektiv nicht töten. Autorin: Katharina Hübel
04. Mai
Dienstag, 04. Mai 2021
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Ein zwanzigjähriger Mann voller Tatendrang und Abenteuerlust. Arthur Conan Doyle. 1880 heuert er als Schiffsarzt auf der "Hope" an, einem Walfänger, und schippert durch die Arktis. Auf Robben-Expedition brilliert Arthur Conan Doyle als Jäger, reitet halsbrecherisch auf Eisschollen, fällt unzählige Male ins Polarmeer und boxt mit Schiffskameraden. Man sollte nicht meinen, dass dieser junge Arzt Lust, das Sitzfleisch und überhaupt die Zeit hätte, Weltliteratur zu schreiben. Zumal er nur kurze Zeit später auf zweite Expedition aufbricht – nach Westafrika. Der Doyle-Gletscher in der Antarktis ist nach ihm benannt; weil er 1893 der erste Brite war, der eine Tagestour im Skilanglauf absolvierte. Er ist erfolgreicher Cricketspieler, Mannschaftskapitän bei einem bekannten Golf-Club. Sportreporter bei den Olympischen Spielen, Kriegsreporter in Afrika. Aber ganz eigentlich ist sein Brotberuf: Allgemeinarzt. In Südengland hat er eine schlecht laufende Praxis. Und weil wenig Patienten kommen, hat Arthur Conan Doyle viel Zeit, Detektivromane zu lesen, wie die von Edgar Allen Poe.
Der Meisterdetektiv
In seinem Kopf formt sich die Idee eines ganz neuen Typus von Detektiv: Sherlock Holmes. Benannt nach einem Chirurgen aus seinem Studium. Und auch Doyles Medizin-Professor, ein Pionier der kriminalistischen Forensik namens Joseph Bell, dient als Schablone für den Meisterdetektiv: hagere Gestalt, Adlernase, stechender Blick und eine ungeheure Kombinationsgabe. Mit naturwissenschaftlichen Methoden soll dieser neue Typus von Detektiv vorgehen - ganz wie Doyles Professor. Die ersten beiden Holmes-Romane finden wenig Anklang. 1891 - der Durchbruch mit Kurzgeschichten von Sherlock Holmes im "Strand Magazine". Arthur Conan Doyle zieht nach London um, kann jetzt von der Schriftstellerei leben. Eine Sherlock-Manie entbrennt.
Doch ausgerechnet Doyle selbst scheint der einzige zu sein, der bald die Nase voll hat von Holmes. Bücherschreiben ist zeitintensiv, anstrengend. Und der analytische Holmes, der nichts mit Zufällen oder überirdischen Kräften am Hut hat, ist so ziemlich das Gegenteil von Arthur Conan Doyle, der an Geister und Feen glaubt.
Das letzte Problem
Vielleicht plant Doyle auch deswegen den literarischen Mord - wer hätte gedacht, dass Sherlocks härtester Gegner sein eigener Erschaffer werden würde? Im Dezember 1893, notiert Doyle in sein Tagebuch: "Killed Holmes." Auf Kur in der Schweiz findet er den passenden Ort für den perfekten Mord an Sherlock Holmes: Den Reichenbach-Fall. Ein spektakulärer Wasserfall, 120 Meter tief. Dort lässt er Holmes mit seinem genialsten Widersacher, Professor Moriarty, in die Tiefe stürzen. Am 4. Mai 1891. Als "Das letzte Problem“ 1893 im "Strand Magazine" erscheint, kommt es zu Trauerzügen in London, Menschen tragen schwarze Schleifen am Arm, Doyle erhält Hassbriefe, wird als "Bestie" beschimpft, 20.000 Leser kündigen die Zeitschrift. Heute noch erinnert ein Trauerkranz beim Reichenbach-Fall an den literarischen Zwischenfall. Ungeachtet dessen, dass Sherlock Holmes gut zehn Jahre später wieder auf der Bildfläche erscheint. Motiviert durch ein enorm hohes Honorar des Verlags schreibt Arthur Conan Doyle weiter. Ein Meisterdetektiv lässt sich eben nicht einfach so umbringen, auch wenn er seinem Schriftsteller schon längst zum Hals heraushängt.