Bayern 2 - Das Kalenderblatt


0

31. August 1928 Uraufführung der Dreigroschenoper

Die Geschichte vom Konkurrenzkampf zweier "Geschäftsleute". Der eine Chef der Londoner Bettelmafia, der andere ein eiskalter Verbrecher mit besten Beziehungen zur Polizei. Autor: Frank Halbach

Stand: 31.08.2018 | Archiv

31 August

Freitag, 31. August 2018

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

(singt)
"Und der Haifisch, der hat Zähne
und die trägt er im Gesicht
und Macheath, der hat ein Messer,
doch das Messer sieht man nicht."

Ein Welthit, die Moritat von Mackie Messer, der Auftakt eines Stücks mit Musik in einem Vorspiel und acht Bildern, "so prunkvoll gedacht", wie nur Bettler sie ersinnen und zugleich so billig, dass Bettler sie sich leisten können, aber doch von keinem Bettler erdacht.

"Glotzt nicht so romantisch"

Im Theater am Schiffbauerdamm in Berlin öffnet sich am 31. August 1928 zum ersten Mal der Vorhang für Bertolt Brechts "Dreigroschenoper", und das Publikum erblickt zum Auftakt einen Jahrmarkt in Soho, wo Bettler betteln, Diebe dieben, Huren huren und ein Moritatensänger moritatet. Kurt Weill komponierte dafür 22 Gesangsnummern - nicht für Opernsänger, sondern für singende Schauspieler - für Brechts Bettleroper, die erst einmal einfach "Gesindel", dann "Die Ludenoper" hieß, bis Lion Feuchtwanger bei einem Probenbesuch die Titel-Idee "Dreigroschenoper" hatte.

Brecht und Weill hatten nicht weniger vor, als das Musiktheater neu zu erfinden. Brecht wollte sein Konzept vom epischen Theater verwirklichen: keine Bühnenillusion für die Zuschauer, sondern die Anregung zu kritischem Denken - "glotzt nicht so romantisch!“

Nachdem Denken aber - damals wie heute - nicht jedes Zuschauers Sache ist, war die Stimmung während der Premiere zunächst eher so als würde im Musikantenstadl 12-Ton-Musik zum Besten gegeben. Da Weills Songstil aber weniger auf eine intellektuelle Durchdringung komplexer Tongebilde setzte, sondern jazzig, tänzerisch, mitreißend war, gab das Publikum seinen Widerstand schließlich auf.

"Soldaten wohnen, auf den Kanonen,
Von Cap bis Couch Behar,
Wenn es mal regnete und es begegnete
ihnen 'ne neue Rasse, 'ne braune oder blasse,
dann machten sie vielleicht daraus ihr Beefsteak Tatar."

Nach dem Kanonensong wurde jeder Satz beklatscht und die "Dreigroschenoper" wurde zum erfolgreichsten Theatercoup der Weimarer Republik - und als solcher selbstverständlich von den Nazis verboten, die ja exemplarisch für den Zuschauertyp stehen, dessen Sache das Denken nicht ist.

"Denn wovon lebt der Mensch?"

Ach ja, so sehr die Herren Weill und Brecht für ihre Verdienste an der "Dreigroschenoper" zu loben sind, ohne Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann wäre das Meisterwerk nicht entstanden. Denn sie war auf Presseberichte über die großen Erfolge der wiederentdeckten Beggar’s Opera von John Gay gestossen, die seit 1920 in London und anderen englischen Städten wiederaufgeführt wurde. Und sie legte Brecht ihre Übersetzung davon vor. Eigentlich unbezahlbar. Aber Elisabeth Hauptmanns Gewinnbeteiligung würgte Brecht auf 12,5 Prozent herunter, Weill bekam immerhin 25 Prozent, Brecht selbst 62,5.

"Ihr, die euren Wanst und unsre Bravheit liebt
Das eine wisset ein für allemal:
Wie ihr es immer dreht und wie ihr's immer schiebt
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral."


0