Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. März 1982 Grundstein für das Vietnam Veterans Memorial

Die Architekturstudentin Maya Ying Lin war erst 21 Jahre alt, als sie den Wettbewerb gewann, das Vietnam Veterans Memorial in Washington D.C. zu bauen. Ein Denkmal für den Vietnamkrieg und für die US-amerikanische Gesellschaft - und ein kühner Versuch, es allen recht zu machen.

Stand: 26.03.2010 | Archiv

26. März 1982: Grundstein für das Vietnam Veterans Memorial

26 März

Freitag, 26. März 2010

Autor: Thomas Grasberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Wie so oft in der Geschichte waren es die alten Griechen, die den passenden Begriff prägten für das, was uns Menschen beschäftigt. Zum Beispiel, wenn wir ein Kunstwerk betrachten und dabei das Gefühl haben, es sei harmonisch und ebenmäßig. Symmetrie ist das griechische Wort dafür. "Syn" bedeutet "zusammen", und "métron" soviel wie "das rechte Maß". Rechtes Maß war auch gefordert, als im Oktober 1980 der "Vietnam Veterans Memorial Fund" Amerikas Künstler aufrief, Ideen für eine nationale Gedenkstätte einzureichen. Zu Ehren der Angehörigen der US-Streitkräfte, die im Vietnamkrieg gefallen waren oder als vermisst galten. Fast achteinhalb Millionen Dollar hatten die Veteranen für solch ein Denkmal gesammelt, was keine Selbstverständlichkeit war, denn Amerika wollte nicht mehr an die Niederlage in Vietnam erinnert werden. Auch deshalb sollte das "Memorial" einen nachdenklichen Charakter bekommen, ohne politische Verurteilungen. Dafür aber harmonisch eingepasst in die Umgebung. Und es sollte Namen nennen. Die Namen der toten und vermissten Amerikaner.

Aus mehr als 1.400 Entwürfen wählte die Jury einstimmig den von Maya Ying Lin, einer 21jährigen Architekturstudentin. Am 26. März 1982 erfolgte in Washington D.C. die Grundsteinlegung. Kein heroisches Kriegerdenkmal, sondern eine Mauer ist es geworden, bestehend aus zwei 75 Meter langen Seitenarmen. In schwarz poliertem Granit stehen darauf die Namen Tausender getöteter und vermisster Amerikaner. Streng symmetrisch angeordnet, wirkt diese Gedenkmauer düster und abstrakt, was bald schon zu heftigen Debatten führte, auch unter den Veteranen. Abreißen, sagten manche Kritiker, denen das "Memorial" zu unpatriotisch, zu unheroisch war. Deshalb kamen in den folgenden Jahren weitere, figurative und eher pathetische Bronze-Denkmäler hinzu: Ein Fahnenmast, drei US-amerikanische Soldaten, und schließlich drei Frauen im Kampfanzug, die sich um einen verwundeten Soldaten kümmern.

Und die schwarze Mauer? Sie wurde zu einem Ort der tiefen Trauer, aber auch zum Symbol für die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft und der ganzen Welt. Denn der 10 Jahre lang grausam geführte Krieg der Amerikaner gegen das kommunistische Vietnam löste in der westlichen Hemisphäre eine vehemente Protestbewegung aus. Gegen einen Krieg, der mit seinen Massakern, Napalmbombenangriffen und Chemiegaseinsätzen stets maßlos gewesen war. 15 Millionen Tonnen Sprengstoff haben die USA über dem südostasiatischen Land abgeworfen. Und dennoch den Krieg verloren.

An der Gedenkstätte sind heute mehr als 58.000 Namen eingraviert - und trotzdem fehlen viele. Eigentlich die meisten. Nicht nur die der - vorsichtig geschätzten - eineinhalb Millionen getöteten Vietnamesen. Auch die der über 60.000 US-Soldaten, die sich nach dem Krieg das Leben nahmen, weil sie die Kriegstraumata nie verwinden konnten. Und es fehlen auch die Namen derjenigen, die an diesem Krieg verdient haben. Zum Beispiel der des US-Konzerns Monsanto, der heute noch weltweit Herbizide und genverändertes Saatgut verkauft. Monsanto produzierte jenes berüchtigte Unkrautbekämpfungsmittel "Agent Orange", mit dem die US-Armee den vietnamesischen Dschungel entlaubte. "Agent Orange" ist krebserregend und schädigt das Erbgut. Bis heute kommen deshalb Tausende vietnamesischer Kinder stark missgebildet zur Welt. Eine Klage vietnamesischer Opfer gegen Monsanto und andere Chemiekonzerne wurde im März 2005 von einem US-amerikanischen Bundesgericht abgelehnt. Ob das das rechte Maß ist? In der Kommunikationstheorie spricht man übrigens von asymmetrischer Kommunikation, wenn die Gesprächsbeteiligten nicht gleichberechtigt sind. Symmetrie ist eben nicht nur eine Frage der Ästhetik.


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