Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12. November 1958 Waren Harding durchsteigt Felswand "The Nose" im Yosemite Nationalpark

Er war rau, poltrig und hatte eine Vorliebe für billigen Rotwein. Und er war ein Pionier des Bigwall-Kletterns: Warren Harding, der "El Capitan" über die "Nose"-Route erklomm. Seinem Beispiel sollten viele folgen, und so zieht der Yosemite heute noch zahlreiche Kletterer an. Autorin: Regina Fanderl

Stand: 25.09.2012 | Archiv

12.11.1958: Warren Harding durchsteigt Felswand The Nose im Yosemite-Nationalpa

12 November

Freitag, 12. November 2021

Autor(in): Regina Fanderl

Sprecher(in): Christian Baumann

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Heute geht’s um’s Klettern! Nicht schnell auf den Ostgipfel der Kampenwand! Nein, um’s richtige, um’s extreme Klettern. Konkret: um einen berühmten Extrem-Kletterer! Sein Name: Warren Harding! Nicht bekannt? Kein Wunder. Harding, geboren 1924, war US-Amerikaner -  und kein Alpinist, sondern ein Pionier des Bigwall-Kletterns in Kalifornien. So nennt man das Durchsteigen von so hohen, steilen Felswänden, dass unsereinem schon vom Hinaufschauen schwindlig wird.

Die Nase des Kapitäns

Das Bigwall-Klettern entstand im Yosemite Nationalpark, der mit seinen massiven Granit-Felsbrocken ein Eldorado ist für den völlig schwindelfreien und angstlosen Klettermaxe. Und selbst dem stockt mitunter der Atem, angesichts der dort vorhandenen "Herausforderungen". Da ist zum Beispiel die 1000 Meter hohe, nahezu spiegelglatte Wand eines gigantischen Zinkens, der den Namen "The Nose" trägt und zu dem 2307 Meter hohen Felsklotz namens "El Capitan" gehört. Alljährlich kommen Tausende aus aller Welt, um die Nase zu bezwingen und aus der Wand spektakuläre Selfies zu schießen!

Es ist noch gar nicht soo lange her, dass ein Mensch zum ersten Mal diese Route geschafft hat – und damit sind wir endlich bei Warren Harding. Übrigens nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen 29. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er gilt als einer der schlechtesten Präsidenten der US-Geschichte. Das nur nebenbei!

Unser Warren Harding, geboren 1924, wuchs in dem kalifornischen Goldgräber-Kaff Downieville auf. Sein Lieblingssport war das Fischen im Downie River. Als ihm das zu langweilig wurde, begann er mit dem Klettern.

700 Haken und 1000 Meter Seil

Nachdem ihn der Einberufungsausschuss wegen eines Herzgeräusches abgelehnt hatte, arbeitete er während des Zweiten Weltkrieges als Propellermechaniker. Seine Leidenschaft aber wurden die ganz die steilen Felsen, die Bigwalls.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich Harding zur führenden Gestalt in der wachsenden Klettergemeinde des Yosemite Valley. Man stürmte einen Berg nach dem anderen, doch Harding war besessen von dem Wunsch, auch den als unüberwindbar geltenden El Capitan zu erobern und zwar über die so genannte "Nose“-Route. 45 mal stiegen er und sein Team in die Wand, um mehr als 700 Haken einzuschlagen sowie 1000 Meter Seile und Vorräte zu deponieren. Erst dann erschien ihnen der Gesamtdurchstieg möglich. Zahlreiche Zuschauer harrten tagelang am Fuß der Wand und beobachteten, wie sich die Männer, fliegengleich, an der senkrechten Wand in die Höhe hangelten und vermutlich zeitweise heftig fluchten. Gefrorene Seile rissen, Karabiner versagten, Kräfte schwanden. Für die wenigen Stunden des Schlafs hakten sie sich auf schmalsten Plateaus fest. Im Tal rechnete man mit dem Schlimmsten: seit 1905 hatte "El Cap" schon zwei Dutzend Bergsteigern das Leben gekostet.

Doch dem Kraftkerl aus dem Goldgräberdorf und seinen Mitstreitern gelang am 12. November 1958 nach 13-tägigem Kampf das Undenkbare: sie erklommen die vielleicht spektakulärste Felswand der Welt.

Heute ist die Nose-Route für talentierte Kletterer eine viertägige Aufgabe. Freeclimber, die nur ein Sicherheitsseil verwenden, brauchen rund 12 Stunden und dann gibt es noch die exquisite Gruppe der Speedclimber. Die Huber-Buam schafften die Nase 2006 in zwei Stunden, 45 Minuten und 45 Sekunden. Momentan liegt der Rekord schon unter zwei Stunden.

Ob Warren Harding, der polternde Frauenheld, dafür zu gewinnen gewesen wäre? Eher nicht. Da er bei seinen Touren stets ein paar Flaschen Rotwein und Brandy mitschleppte, hätte das Gewicht solch ein Tempo wohl nicht annährend erlaubt.


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