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11. Januar 1842 William James geboren, Gottessucher

William James, geboren am 11. Januar 1842, genießt großes Ansehen als Philosoph und Religionspsychologe. Doch James war auch der Entdecker des spiritistischen Mediums Leonora Piper. Das passt nicht zusammen, finden viele seiner späteren Fans. Wie ordnet man das denn nun ein? Autor: Thomas Morawetz

Stand: 11.01.2024 | Archiv

11.01.1842: William James geboren, Gottessucher

11 Januar

Donnerstag, 11. Januar 2024

Autor(in): Thomas Morawetz

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Leonora Piper ist knapp dreißig Jahre alt, sie sitzt an einem Tisch in ihrer Bostoner Wohnung und kritzelt fahrig Botschaften auf ein Blatt Papier. Plötzlich wechselt ihre Stimme, sie klingt tief wie ein Mann und gibt vor, ein französischer Arzt zu sein. Ein vor einigen Jahren verstorbener Arzt. Leonora Piper gilt als Medium. Sie soll Verbindungen zu verstorbenen Personen haben. Sie ist in Trance, als der Philosoph und Psychologe William James neugierig vor ihr sitzt. Im Jahr 1885 hat er sie zum ersten Mal besucht.

Der Gelehrte und die Geisterseherin

Die spiritistischen Sitzungen mit Leonora Piper sind heute den meisten Leuten, die sich mit William James beschäftigen, eher peinlich. Immerhin ist er einer der Begründer des philosophischen Pragmatismus und einer der Väter der Religionspsychologie. Ein so gelehrter Mann - und eine Geisterseherin? Aber vielleicht ist die Episode doch gar nicht so untypisch für William James.

Geboren wird er am 11. Januar 1842 in New York. Seine Karriere beginnt er als Naturwissenschaftler. Er studiert Chemie, Biologie und Medizin. Doch dann gerät er an Philosophie und Psychologie. Er bezweifelt nämlich inzwischen, dass die Menschen einen Zugang zu objektiven Wahrheiten haben. Wahrheit, sagt James, erweist sich für Menschen nur im sozialen Austausch. Das, was andere Menschen als plausibel nachvollziehen können, sind die einzigen Wahrheiten, denen man sich annähern kann. Sie geben Orientierung und sind deshalb nützlich.

Später veröffentlicht James seinen Klassiker der Religionspsychologie: "Die Vielfalt religiöser Erfahrung". Darin sammelt er Schilderungen von Bekehrungen, Gotteserlebnissen, Erfahrungen von Wiedergeburt.
Allerdings versucht er dabei eben nicht, die Berichte auf eine objektive Wahrheit hin abzuklopfen. Er nimmt sie als eigene Realität der Betroffenen. Ob mystische Trance oder religiöse Glücksekstase - James zweifelt nicht daran, dass solche Erfahrungen einen psychopathischen Ursprung haben. Aber, fragt er, warum nicht? Denn entscheidend ist, dass sie einen großen biologischen Wert für den Menschen haben, eben einen Nutzen: Religion macht leicht, und sie versöhnt sogar mit dem Tod.

  "Bonjour" und "Au revoir" sagt der Geist

Als William James sein Buch veröffentlicht, liegt die Episode mit Leonora Piper schon viele Jahre zurück. 18 Monate lang hatte er damals das Medium getestet. Immerhin könnte hier ja eine religiöse Erfahrung vorliegen, die nicht schon - wie die vielen Heiligenlegenden - literarisch umgeformt worden ist. Am Ende fand James, Piper wisse in ihrer Trance Dinge, die sie unmöglich im Wachzustand erfahren haben könne.

Bis heute sind die Psi-Skeptiker dem Philosophen etwas beleidigt dafür, dass er Piper sozusagen entdeckt hat. Dass es ihn gar nicht gestört hat, dass der französische Geister-Arzt, der angeblich immer wieder von Piper Besitz ergriff, sich nirgendwo in Frankreich verifizieren ließ; dass er außer "bonjour" und "au revoir" kaum Französisch konnte, von medizinischen Fachausdrücken gar nicht zu reden.

Die klare Philosophie hinter Pipers Trancezuständen müsse noch gefunden werden, meinte William James damals. Das versuchen Skeptiker und Gläubige immer noch. Offenbar sind "nützliche Wahrheiten" also auch nicht hilfreicher als objektive.


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