Neuerscheinungen der Woche Neue Alben von Sleaford Mods, Pinegrove und Conny Frischauf
Die Neuheiten der Woche im kompakten Überblick. Neue Platten gibt's von den Sleaford Mods, Conny Frischauf, Grandbrothers, Kasper Marott, Navy Blue, Pinegrove, Midnight Sister, Buck Meek, Shame, Dale Crover, Pom Poko und ZSK.
Pom Poko – Cheater
„Pompoko“ heißt ein Animefilm des legendären japanischen Studios Ghibli und danach hat sich dieses norwegische Quartett benannt. Pom Poko kommen vom Punk, sind aber auch große Fans von Japan, Anime und K-Pop und sie schätzen Bands wie Le Tigre oder Deerhoof sehr. Die Band nennt ihren Stil “K-Punk” und ihren Sound “Pure Norwegian Punky Sweetness”. Ihr zweites Album “Cheater” ist eine dieser Platten, wo man wirklich nur hoffen kann, dass sie sie bald wieder auf eine Bühne bringen dürfen. Auf einem Festival würde ich Pom Poko gerne zwischen dem Go!-Team und The 5,6,7,8s sehen - am liebsten noch diesen Sommer. Auf ihrer Homepage stehen ab Ende Januar auch Tourdaten, zunächst mal in Norwegen, ab April auch in Deutschland, aber ob die wirklich stattfinden, ich bin da skeptisch. (7,3 von 10 Punkten)
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Pom Poko – Like A Lady (official music video)
ZSK – Ende der Welt
ZSK sind die Punkband, denen Prof. Christian Drosten vertraut. ZSK haben dem Virologen letztes Jahr einen Song gewidmet, der hieß: “Ich habe besseres zu tun”. Drosten hat sich wie ein Schneekönig gefreut als er die 7Inch von der Band geschenkt bekommen hat. Für mich ist der Drosten-Song auch der beste des neuen Albums “Ende der Welt”. Die Berliner Skate-Punks gehören musikalisch zu den versiertesten Punk-Bands Deutschlands - leider ist das auch das Problem mit dem neuen Album: Mir ist das zu clean, es hätte gerne rougher sein dürfen. Aber unverkennbar: ZSK sind und bleiben auf der guten Seite der Macht. (6,7 von 10 Punkten)
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ZSK - Mach’s gut (Offizielles Video) feat. 100 Kilo Herz
Sleaford Mods – Spare Ribs
Das sechste Album der Sleaford Mods ist ein Lockdown-Album, es folgt dem renommierten Grant von Jason Williamson gegen “die da oben”, den Kapitalismus und was bei “Spare Ribs” dazukommt: Missmanagement der Regierung, vor allem in der Pandemie-Bewältigung im UK. Wir stehen bereit, wenn die da oben es wollen, schimpft Williamson, nur um Gewinn zu machen, die Produktivität darf nicht gefährdet werden. In nur drei Wochen wurde das Album aufgenommen, da hat sich also wieder eine Menge angestaut, was in kürzester Zeit raus musste. Neben Beat(an)macher Andrew Fearn auch mit dabei: Billy Nomates und Amy Taylor von Amyl & The Sniffers. Der weibliche Grant tut den Smods aber auch hörbar gut. Die Sleaford Mods sind jenseits von Querdenkern die zornige Stimme des kleinen Mannes und der kleinen Frau in der Pandemie - nicht nur im UK. (7,8 von 10 Punkten)
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Nudge It - Sleaford Mods Ft. Amy Taylor
Shame – Drunk Tank Pink
Shame aus London hatten ein bisschen das Pech, dass sie zeitgleich mit den Idles aufkamen - sonst hätte ihr Debüt “Songs Of Praise” wohl nicht nur von Kritikern so viel Aufmerksamkeit bekommen. Jetzt bringen sie ihr zweiten Album raus, es heißt “Drunk Tank Pink”. Es heißt so, weil Songwriter Charlie Steen fast alle Lyrics zur Platte in einem pinken Raum geschrieben hat: „Necessarily, unconsciously I wanted an entire pink room when I moved into my flat after we finished touring „Songs Of Praise“ where I spent sort of one and half years writing and all of that. The walls were pink, the ceiling was pink, the lampshade was pink, the carpet was pink. Everything was pink, I wanted a pink room.“ Charlie Steen hat sich also ein Zimmer seiner Wohnung komplett pink streichen lassen, dort entstanden: das neue Album “Drunk Tank Pink” von Shame - ein Album das vom Tanzen schwitzt, das nach verschüttetem Alkohol riecht, es klingt abwechselnd nach The Fall und den Arctic Monkeys, Post-Punk und Brit-Pop - Shame hauen alles rein und dieses Album lässt sich diesmal von niemandem die Show stehlen. Kein schwieriges zweites Album, sondern ein rundum überzeugendes. (8,2 von 10 Punkten)
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shame - Nigel Hitter (Official Video)
Dale Crover – Rat-a-tat-tat
Dale Crover war mal zwei Jahre Schlagzeuger bei Nirvana und hat mit Kurt Cobain kurzzeitig eine eigene Band gehabt: Fecal Matter. Seit 1984 ist er Schlagzeuger bei den Melvins. Vor drei Jahren hat er sein erstes Soloalbum rausgebracht, jetzt erscheint mit “Rat-a-tat-tat” sein zweites Solowerk - und damit nimmt es der Spätzünder sehr sehr ernst. Das hört man, weil “Rat-a-tat-tat” klingt wie das Debüt eines 18-jährigen, es strotzt vor Energie und Testosteron, ist mit allen schlechten Rassierwassern gewaschen und hätte vor vierzig Jahren das Zeug zum Klassiker gehabt. Bei Dale Crover-Solo sollten jetzt die zugreifen, die Grunge immer noch für das beste Genre der Welt hatten. (6,8 von 10 Punkten)
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Dale Crover - I'll Never Say (Official Audio)
Midnight Sister – Painting The Roses
Midnight Sister - das sind Juliana Giraffe und Ari Balouzian aus LA. Man könnte die beiden als die feminin klingenden Foxygen beschreiben, ähnlich auffällig und genial bedienen sie sich an 70ies Sound, Glam und Disco - allerdings sind Midnight Sister nicht so drüber wie Foxygen. Und sie sind breiter aufgestellt, machen Soundtracks für Dokus und Indie-Filme. Nun erscheint ihr zweites Album “Painting The Roses” - und es ist eine wahre Freude, die von Linda Ronstadt bis Nico inspirierten Songs zu hören. Die schönste Wunderkiste der Woche und des noch jungen Jahres kommt von Midnight Sister. (7,8 von 10 Punkten)
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Midnight Sister - Foxes (Official Video)
Buck Meek – Two Saviors
Du magst Americana? Folkrock? Du liebst Steel-Gitarren? Und Big Thief sind eine deiner Lieblingsbands in den letzten Jahren? Dann haben wir hier was für dich!
So könnte ein subtiler Werbespot für Buck Meek gehen. Meek ist der Gitarrist von Big Thief, die Band um Songwriterin Adrianne Lenker. Jetzt legt Meek sein zweites Soloalbum vor, es heißt “Two Saviors” und ist ein Kleinod an folky Country-Perlen. Schon sein Erstling hat klar gemacht, dass wir es hier nicht mit einem stummen Gitarristen zu tun haben. Es ist sehr gut, dass Buck Meek seine Stimme erhebt, vor allem wenn er es so einfühlsam wie auf “Two Saviors” macht. (8,4 von 10 Punkten)
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Buck Meek - Candle (Official Video)
Pinegrove – Amperland, NY
Seit zehn Jahren gibt es die Band Pinegrove aus New Jersey, sie sind absolute Kritikerlieblinge, ihre Alternative Country-Songs passen zudem in jeden guten US-Coming-Of-Age-Film oder in RomComs der letzten Dekade. Pinegrove haben das Corona-Lockdown-Jahr sinnvoll genutzt: mit einer Retrospektive, das ist die etwas aufwändigere Form eines Best-Ofs. Sie haben 21 Songs aus ihren letzten vier Alben neu arrangiert eingespielt - teilweise mit Bandmitgründerin Nandi Rose, die wir mittlerweile als Half Waif kennen. Dazu ist auch noch ein Bandfilm entstanden, den man ab Album-Veröffentlichung auch im Netz streamen kann. “Amperland, NY” heißen Album und Film, nach dem Studiohaus in dem alle Songs entstanden sind und das sie jetzt räumen mussten. Für Fans ist “Amperland, NY” ein Muss und auch für Pinegrove-Einsteiger eine super Gelegenheit um diese Band lieben zu lernen. (8 von 10 Punkten)
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Morningtime (Amperland, NY)
Conny Frischauf – Die Drift
Die Musikerin Stefanie Schrank hat uns zuletzt ja eindrucksvoll gezeigt, zu was enigmatischer Deutsch-Pop in der Lage ist - denn auch der kann voll ins Herz schießen, auch wenn viel Experiment dabei ist. Conny Frischauf aus Wien ist auf der gleichen Spurensuche wie Stefanie Schrank: Wo hört Pop auf, wo fängt Krautrock an? Wie viel Popappeal verträgt sphärische Elektronik? Die Antworten liefert Conny Frischauf zusammen mit Produzent Sam Irl auf einem sehr gelungenen Debütalbum, es heißt “Die Drift”. Und erinnert manchmal auch ein bisschen an die Avantgarde der Hamburger Schule. Große Hörempfehlung von mir! (7,7 von 10 Punkten)
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Conny Frischauf – Parapiri
Navy Blue – Song Of Sage: Post Panic!
Das Album “Song Of Sage: Post Panic!” von Rapper Navy Blue ist schon an Weihnachten rausgekommen, ist darum ein wenig untergegangen, aber das Rap-Album verdient mehr als nur eine Erwähnung: Denn der 23-jährige Navy Blue schlüpft in die Fußstapfen von Yasin Bey, den wir hier auch gerade gehört haben. Für Anfang 20 klingt Sage Elsesser, der sich Navy Blue nennt, ungewöhnlich reif und erwachsen. Sein Conscious-Rap wird von soulfullen Beats begleitet, ein Beat schöner wie der andere. Thema der Platte: Wie bleibt die Seele eines jungen Afroamerikaners in diesen harten Zeiten gesund. Und das verhandelt Navy Blue so angenehm unaufgeregt. Bei Underground-Rap aus New York sollten wir uns den Namen Navy Blue unbedingt merken. (7,6 von 10 Punkten)
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Navy Blue - Song of Sage: Post Panic! [Full Album]
Kasper Marott – Full Circle
Der Däne Kasper Marott war im letzten Jahr auf meiner Artists To Watch-Liste ganz weit oben. Da hatte ich seinen 2018er Club- und Festivalhit “Keflavik” noch im Ohr - und die nachfolgenden Tracks wurden auch nicht schlechter als der erste Hit. Dafür standen Modeselektor Pate, denn das Berliner Duo hat Marott in den Anfangsjahren protegiert. Nun erscheint jetzt das Debütalbum über sein eigenes Label Axces Recordings. Und auch das weiß größtenteils zu überzeugen, obwohl es überraschend heterogen daherkommt. Hoffentlich wird Marott 2021 wortwörtlich zum Artist to watch - live auf Festivalbühnen. (7,4 von 10 Punkten)
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Kasper Marott - Sol (Extended Version)
Grandbrothers – All The Unknown
Zwei Menschen, ein präpariertes Klavier und neuerdings auch ein Computer - das ist das türkisch-deutsch-schweizerische Duo Grandbrothers mit ihrem dritten Album “All The Unknown”. Bei den letzten Alben hatten sie sich noch auferlegt, dass alle aufgenommene Musik aus dem Moment kommen muss, diesmal haben Erol Sarp und Lukas Vogel auch nachträglich mit Software gearbeitet - nicht zu ihrem Nachteil: Beats und Klavier harmonieren noch besser und verdichten intensiver. Der Sound bleibt aber sehr melancholisch. Wer auf Neo-Klassik und Sound wie von Hauschka steht, der sollte die Grandbrothers niemals vergessen. (7,5 von 10 Punkten)
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Anatomy of a song: Grandbrothers - What We See