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Zum 40. Geburtstag des Hard-Rock-Klassikers Deep Purple in Rock

Vor vierzig Jahren erschien "Deep Purple in Rock" - ein Album, das nicht nur die Sixties endgültig zum Schweigen brachte, sondern auch half, den Hard Rock zu definieren und etwas in Gang zu bringen, was als "Heavy Metal" bis heute die Geister junger Männer weltweit verwirrt. Willkommen zu einer lauten Geburtstagsparty mit Richie Blackmore, Jon Lord, Ian Gillan, Roger Glover und Ian Paice!

Von: Roderich Fabian

Stand: 22.06.2010 | Archiv

Deep Purple | Bild: picture-alliance/dpa

Speed King - Track A1 auf "Deep Purple in Rock" - ist gespickt mit inhaltlichen Reminiszenzen an frühe Rock and Roll-Hits von Little Richard, Chuck Berry und Eddy Cochran. Die ursprüngliche Idee dafür hatte Purple-Bassist Roger Glover, der gerade erst bei der Band angefangen hatte. Gemeinsam mit Sänger Ian Gillan kam Glover von der Londoner Band Episode Six. Die Offerte von Deep Purple konnten die beiden im Sommer 1969 nicht ablehnen. Anders als Episode Six war Deep Purple nämlich schon damals eine renommierte Band mit drei Alben auf dem Konto, mit einer Top-Ten-Single in Amerika und der Erfahrung diverser US-Tourneen. Nur im eigenen England galten Deep Purple noch nicht so viel. Der Hit hieß "Hush" und war eine Coverversion, den der Amerikaner Joe South ursprünglich für den Amerikaner Billy Joe Royal geschrieben hatte, aber erst die Version der Briten ging in den US-Charts bis auf Platz vier, zwei Jahre vor "Deep Purple in Rock".

Deep Purple, Phase eins

Deep Purple, Phase eins - das waren Keyboarder John Lord, Gitarrist Richie Blackmore, der Schlagzeuger Ian Paice sowie Sänger Rod Evans und Bassist Nick Simper. Der Stil der Band war nicht unbedingt Hard Rock, sondern eine wilde Mischung aus Keyboard-lastiger Psychedelia und pathetischen Rocksongs. Nach dem Anfangserfolg mit "Hush" und drei mittelprächtig verkaufenden Alben wurden Evans und Simper gefeuert und statt dem Gustav-Mahler-Fan Jon Lord übernahm der Rocker Richie Blackmore das Kommando. "Deep Purple in Rock" steht also für einen Richtungswechsel der Band, die manche schon fast abschrieben hatten.

Nachdem das Album im Kasten war, vermisste der A&R-Mann der Plattenfirma noch eine Single. Und so wurde hastig und - der Legende nach sturzbetrunken - noch ein kurzer Boogie von der neu formierten Band aufgenommen, der kurz vor Erscheinen des Albums veröffentlicht wurde. Es sollte die bis heute erfolgreichste Single der Band in England werden, denn "Black Night" wurde ein Instant-Hit. Die Mitglieder haben später freimütig zugegeben, dass fast alles daran geklaut war: Titel und Textstellen von Soulman Arthur Alexander, der Boogie-Rhythmus von Canned Heat und der Basslauf von Ricky Nelsons Version von "Summertime".

Hard Rock - der Sound der frühen 70er

Ian Gillan

Wie auch immer: "Black Night" bereitet die Welt auf "Deep Purple" in Rock vor, das Ende Juni 1970 erscheint, ein halbes Jahr nach "Led Zeppelin II" und drei Monate vor Black Sabbaths "Paranoid". Hard Rock ist der Sound der frühen 70er, die Hippie-Idylle ist zu Ende. Heute, wo sich jeder Heavy-Metal-Vokalist die Seele aus dem Leib schreit, wirkt der Gesang von Ian Gillan fast gesittet, aber auf "Deep Purple in Rock" war das neu. Gillan gibt einen Style vor, der später oft kopiert und modifiziert wurde: Obwohl er höchste Höhen erreicht, wirkt alles männlich-machohaft. Trotzdem ist Deep Purple nie eine Proto-Metal-Band gewesen. Dafür sorgt allein schon Organist Jon Lord, der kurz vor Veröffentlichung von "Deep Purple in Rock" darauf besteht, dass das neue Quintett sein "Concerto for Group and Orchestra" in der Londoner Royal Albert Hall aufführt und auf Platte festhält. Jon Lord sieht sich - wie so viele Keyboarder - eher als Erbe Bachs und Beethovens und wird im Laufe seiner Karriere noch viele Versuche starten, als ernster Musiker anerkannt zu werden. Sein "Concerto" erscheint Anfang 1970 als Live-Album, erntet aber mittelmäßige Kritiken und verkauft sich mäßig. Auch deshalb wird für das nur wenig später erscheinende Studio-Album der Titel "Deep Purple in Rock" gewählt. Die anderen wollen klarmachen: Hier wird nicht gegeigt, hier wird geballert!

Rock für weiße Mittelstandsknaben

"Deep Purple in Rock” markiert auch das Ende des in den Sixties gepflegten puren Bluesrocks. Während sich die Musik Eric Claptons, der Stones oder die von Led Zeppelin noch direkt auf afro-amerikanische Vorbilder bezieht, so ist der neue Sound von Deep Purple weiß wie Schnee. Kein Wunder, dass es so gut wie keine schwarzen Heavy-Metal-Bands gibt. Nicht das Leiden unter Unterdrückung und Entfremdung wird hier zum Ausdruck gebracht, sondern Stolz und gegebenenfalls auch Verachtung. Rock and Roll löst sich hier also endgültig von seinen afrikanischen Wurzeln. Aber damit wird er für weiße Mittelstandsknaben in Europa und Amerika nur noch interessanter. Und Deep Purple, deren Mitglieder mit intellektuellen und revolutionären Konzepten nie etwas am Hut haben, werden zur Speerspitze einer Neu-Definition von Rock mit dickem "R". Die einzige Band aus der Beat-Ära, die diesen Weg mitgeht, sind The Who. Auch sie lieben den weißen Eddie Cochran mehr als den schwarzen Muddy Waters. Ein Jahr später werden sie mit dem harten, aber auch sehr differenzierten Album "Who's next” ihren Höhepunkt erreichen.

Deep Purple werden nie in solche Sphären abdriften. Das Album "In Rock" macht sie zu hoch bezahlten Superstars und zur gern gebuchten Festival-Band. Bands wie AC/DC, die Scorpions oder Iron Maiden - also wahre "Monsters of Rock" - orientieren sich am Sound und am Image von Deep Purple. Sie selbst lassen 1971 den Schnellschuss "Fireball" und ein Jahr später ihr wohl bestes Album "Machine Head" folgen, gespickt mit Evergreens wie "Smoke on the Water", "Space Truckin'" und "Highway Star".

Die eigene Legende feiern

Steve Morse, ein "neues" Bandmitglied

1973 haben Ian Gillan und Roger Glover, also die beiden, die '69 eingestiegen waren, die Faxen des schwierigen Gitarristen Richie Blackmore dick und steigen aus. 1976 wird das Unternehmen vorübergehend eingestellt, 1984 - wohl vor allem aus Umsatzgründen - reaktiviert. Seitdem funktioniert Deep Purple als Retro-Band und feiert die eigene Legende. Von der klassischen Besetzung sind heute noch Gillan, Paice und Glover dabei. Richie Blackmore hat sich 1993 endgültig mit Ian Gillan überworfen. Heute macht er sogenannten "Renaissance Rock" mit seiner Ehefrau in der Band Blackmore's Night. Jon Lord ist 2002 ausgestiegen und schreibt Suiten für Streichorchester. Nächstes Jahr wird er 70.

Das Original von "Child in Time", nämlich der Track "Bombay Calling" der amerikanischen Band "It's a beautiful Day" erschien 1969 auf dem ersten Album der Band und diente Deep Purple als Inspiration für den wohl nachhaltigsten Song auf "In Rock". Aber sie haben was aus der Vorlage gemacht. Der gut zehnminütige Track, der Seite eins des Original-Albums beschließt, darf getrost als Vorläufer von "Stairway to Heaven" von Led Zeppelin gelten, das ein halbes Jahr nach dem Erscheinen von "Deep Purple in Rock" aufgenommen wurde und das ganz ähnlich strukturiert ist. Im Cover der Original-Ausgabe des Albums steht zu "Child in Time" die kurze Bemerkung "The Story of a Loser - it could be you". Für Deep Purple aber war es der Hauptgewinn.


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