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Zum 60. Geburtstag Tom Petty

Tom Petty, der ewige Jüngling des amerikanischen Rock and Roll ist am 20. Oktober 2010 sechzig Jahre alt geworden - hier ein nachträglicher Geburtstagsgruß.

Von: Roderich Fabian

Stand: 22.10.2010 | Archiv

Tom Petty | Bild: picture-alliance/dpa

"Der Prophet gilt nichts im eigenen Land" - das muss Tom Petty gedacht haben, als sein erstes Album in Amerika 1976 erschien, denn kaum jemand interessierte sich dort dafür. Erst als Tom Petty and the Heartbreakers in England auf Tournee waren, um anschließend dort in den Charts aufzutauchen, wurde man auch in der Heimat aufmerksam auf den damals 26-jähigen Singer/Songwriter und seine Band.

Geboren am 22. Oktober 1950 in Gainsville, Florida und aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, wurde Pettys Liebe zum Rock and Roll im Alter von zehn Jahren entflammt, als er bei einem Dreh eines Elvis-Presley-Films zuschauen und dem King sogar die Hand geben durfte. Danach begann er, Gitarre zu üben und in Schülerbands zu spielen. Schon damals lernte er seine Mitstreiter Mike Campbell und Benmont Tench kennen, mit denen er bis heute zusammenspielt. Um ihre Chancen zu steigern, zogen die Musiker nach Los Angeles um. Dort wurden sie vom Musiker und Labelbetreiber Leon Russell entdeckt und nahmen 1976 ihr Debüt-Album auf, mit 77er Single-Hits wie "Breakdown" und "American Girl".

Diese Songs machen auch klar, wer Tom Pettys Vorbilder waren: Bob Dylan, aber auch die kalifornischen Byrds mit dem typischen Sound  der Rickenbacker-Gitarren. Während in den späten 70er Jahren Punk und Disco neuen Schwung in die Popmusik brachten, stand Tom Petty also für die Fortführung des engagierten Sounds der Sixties, allerdings gespielt von einer hörbar begeisterten und trotzdem versierten Band. Aber es sollte noch zwei Jahre dauern, bis Tom Petty And The Heartbreakers 1979 in die Riege der großen amerikanischen Rock-Acts aufgenommen werden sollten. Das dritte Album "Damn the Torpedoes" war schon nicht mehr so rotznäsig, hatte mit "Refugee" und "Don't do me like that" aber zwei Top-Twenty-Hits zu bieten. Das ist Tom Petty nicht oft gelungen.

Tom Petty schreibt damals nicht gerne politische Songs, aber er hat sich immer wieder politisch engagiert. Mit den Heartbreakers tritt er in den frühen 80ern beim "No Nukes"-Festival gegen Atomkraft auf und ist auch beim Hungerhilfe-Festival "Live Aid" dabei. Und er hat sich immer wieder mit seinen Plattenfirmen angelegt. Als 1981 mit "Hard Promises" das vierte Album der Heartbreakers erscheint, will die Plattenfirma einen so genannten Superstar-Aufschlag erheben: Statt der üblichen $ 8.98 soll das Album für $9.98 verkauft werden. Petty legt sein Veto ein und droht öffentlich damit, das Album in $8.98 umzubenennen. Erst dann macht MCA einen Rückzieher und verkauft "Hard Promises" zum regulären Preis.

In den 80ern ist der große Blonde Rock and Roller längst ein großer Star – und alle wollen mit ihm arbeiten. 1986 fragt ihn sein Vorbild Bob Dylan, ob die Heartbreakers nicht seine Begleitband für seine "True Confessions"-Tour sein wollen. Natürlich sind sie dabei und brauchen auch nicht lange, bevor sie die Dylan-Klassiker eingeübt haben. Als Zugabe spielt Dylan mit Tom Petty und den Heartbreakers den Byrds-Song "So you want to be a Rock and Roll Star" – und Tom Petty kann mit Fug und Recht behaupten: Er ist auf der gleichen Stufe angekommen, auf der seine Vorbilder schon stehen.

Nach der Tour sind Petty und Dylan befreundet und werden 1988 in einer gemeinsamen Band auftauchen, den Travelling Wilburys. Diese wahrhafte Supergruppe mit George Harrison, Roy Orbison und Jeff Lynne vom Electric Light Orchestra entsteht zwar eher aus einer Party-Laune heraus, produziert aber zwei sehr schöne Alben mit Songs, die eher auf die leichte Schulter zu nehmen sind. Jeder der fünf Stars darf fürs erste Album zwei Songs beisteuern, die jedoch von allen gesungen werden. Tom Pettys Kompositionen sind "Margarita" und "Last Night". Diese zeigen ihn von einer bislang ungewohnten Seite, nämlich als Freund karibischer Klänge.

Das Abhängen mit den großen Stars geht auch dann weiter, als Tom Petty wieder an einem neuen Album der Heartbreakers arbeitet. Auf der Single "I won't back down" spielen George Harrison und Ringo Starr mit, Co-Autor ist Wilbury-Kollege Jeff Lynne. Der Song, ein Statement der Standhaftigkeit, wird später gerne von amerikanischen Politikern als Wahlkampf-Song verwendet: Hilary Clinton hat ihn ebenso bei ihren Veranstaltungen spielen lassen wie George W. Bush bei seiner Präsidentschafts-Kampagne im Jahr 2000. Hier allerdings kam sehr schnell eine Aufforderung der Unterlassung durch Tom Petty Musikverlag – auch  Johnny Cash wird den Song später noch aufnehmen.

1991 ist Tom Petty schon 15 Jahre im Geschäft, aber noch immer wirkt er – verglichen mit den anderen Granden des Gewerbes – wie ein unbeschwerter Jüngling. Die Veröffentlichungen werden allerdings immer rarer, die Heartbreakers zeigen Abnutzungserscheinungen. Tom Pettys wichtigster Partner beim Songs-Schreiben ist nicht länger Gitarrist Mike Campbell, sondern der Brite Jeff Lynne. Und das hört man den Songs der Heartbreakers auch an. Statt den sonst üblichen Country-Rock-Riffs geht der Sound der Band deutlich in Richtung Pop, statt der Byrds grüßen eher die Beatles, aber auch dieses Konzept funktioniert.

Das Album "Into the Great White Open" wird für lange Jahre die letzte Veröffentlichung der Heartbreakers sein. 1991 wird die Band auf Eis gelegt. Tom Petty wechselt die Plattenfirma für seine Solo-Karriere und nimmt 1994 sein zweites Solo-Album "Wildflowers" auf, produziert von Rick Rubin, aber mit Mike Campbell und Benmont Tench sind auch wieder seine alten Schulfreunde aus Florida, also die Heartbreakers der ersten Stunde an Bord. Dem Publikum ist's offensichlich egal, ob The Heartbreakers auf dem Cover steht oder nicht, kauft auch "Wildflowers" millionenfach und macht "You don’t know how it feels" zum Hit.

Rick Rubin ist Mitte der 90er schon mittendrin in den legendären "American Reordings" mit Johnny Cash.  Für das zweite Album "Unchained" schlägt Rubin Cash vor, Tom Petty and the Heartbreakers als Begleitband zu engagieren. Johnny Cash stimmt zu – und so entsteht das rockigste Cash-Album aus der Reihe der "American Recordings", mit dem Soundgarden-Song "Rusty Cage" und mit einem Country-Hit aus dem Jahr 1961, den damals Don Gibson sang, der aber hier erst zu seiner wahren Bestimmung gelangt: "Sea of Heartbreak". 

Tom Petty hat damals schon alle Moden und Trends unbeschadet überlebt und genießt den Ruhm als ur-amerikanischer Rock and Roll Superstar. Aber er bekommt mit, was sich allmählich in der Musikindustrie tut und: Er regt sich darüber auf. Das elfte Album der wieder vereinten Heartbreakers heißt 2002 "The Last DJ", und hier beklagt Tom Petty den Verlust des freien Willens in der Branche, die Formatierung der Radios in Richtung eines überall gleich klingenden Sounds, die Macht des Geldes und der Quoten. Der Grund: Statt Rock and Roll im Stile Tom Pettys regiert längst der sterile R&B die Ätherwellen Amerikas. Man könnte den Song "The Last DJ" also gleichzeitig konservativ als auch rebellisch nennen – das neue Jahrtausend hat eben auch für Tom Petty begonnen.

Tom Petty & the Heartbreakers erhalten einen Stern auf Hollywoods "Walk of Fame"

Inzwischen sind Tom Petty & The Heartbreakers längst ein Bestandteil des Classic-Rock-Angebots im veränderten Musikmarkt. Da eher ältere als jüngere Leute noch CDs kaufen, bleibt Tom Petty beständig am Ball, produziert aber – ähnlich wie Kollege Neil Young – ständig neue Platten, geht also keineswegs den Weg vieler Kollegen, auf Tourneen nur noch Altbewährtes anzubieten. Inzwischen hat er seinen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame, seit 2002 sind Tom Petty and the Heartbreakers Mitglieder der Ruhmeshalle "The Rock and Roll Hall of Fame". Petty hat kleine Auftritte in Hollywood-Filmen und darf sogar bei einer Folge der Simpsons mitwirken. So nebenbei nimmt er mit Rick Rubin 2006 ein weiteres Solo-Album auf, Titel "Highway Companion".

2008 erlaubt sich Petty einen Spaß und lässt die Band wieder aufleben, in der er Anfang der 70er als Bassist in seiner Geburtststadt Gainesville, Florida mit dem Rock and Roll begonnen hatte: Mudcrutch. An Bord sind neben seinen All-Time-Friends Mike Campbell und Benmont Tench auch die ehemaligen Mudcrutcher Tom Leadon und Randall March. Der einzige, der von der Urbesetzung fehlt, ist der damalige Frontmann und Sänger Tom Lenahan. Dessen Part nimmt bei der Mudcrutch-Revival-Band natürlich Tom Petty ein, der auch die meisten Songs schreibt. Und so klingt das Album "Mudcrutch" nicht viel anders als ein Heartbreakers-Album, inklusive eines Songs über die Opfer des Huricanes Katrina namens "Orphan of the Storm". 

Wer sich noch näher mit dem Mann und seiner Musik beschäftigen möchte, dem empfehle ich den Dokumentarfilm "Running down a Dream" von Peter Bogdanovich, der auf vier Stunden Leben und Werk des Musikers ausbreitet und in dem viele der hier erwähnten Freunde und Kollegen zu Wort kommen. Auf "Mojo", dem jüngsten Album von Tom Petty and the Heartbreakers, tut Petty jedenfalls das, das viele ältere Rocker zur Zeit tun: Sie finden zurück zum Blues.


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