Theresa May und der Brexit "Das kann funktionieren - mit erheblichen wirtschaftlichen Einschnitten"
Seit 100 Tagen ist Theresa May nun britische Premierministerin. Vom eingeschlagenen Brexit-Kurs rückt sie nicht mehr ab. Welche Folgen hat das? Die radioWelt hat darüber mit Nicolai von Ondarza (Stiftung Wissenschaft und Politik) gesprochen.
Die britische Premierministerin Theresa May ist wenig begeistert davon, dass sich die 27 anderen EU-Mitgliedstaaten schon ohne sie zu informellen Treffen zusammenfinden. Ändern kann sie es aber nicht, meint Nicolai von Ondarza, Großbritannien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Da hat sie sich ganz klar eine Abfuhr abgeholt", sagt er im Interview mit der radioWelt auf Bayern 2.
"Sobald Großbritannien den Austrittsantrag gestellt hat, was wir für März erwarten, müssen sich die EU27 sogar alleine treffen, um ihre Verhandlungsposition gegenüber Großbritannien festzulegen."
Nicolai von Ondarza über die neue britische Außenseiterrolle in der EU
Theresa Mays Bilanz nach 100 Tagen im Amt
Von einem Austritt Großbritanniens aus der EU rückt Theresa May nicht mehr ab. Dafür bekommt sie vor allem Applaus von den harten Brexit-Befürwortern in der eigenen Partei, betont Nicolai von Ondarza. "Sie hat es geschafft, in den 100 Tagen ihrer Amtszeit die Position der harten Brexitbefürworter nach vorne zu nehmen und damit auch alte UKIP-Wähler zurückzugewinnen für die Konservative Partei."
"Innenpolitisch macht sie einen guten Job. Europapolitisch wird sie schnell mit den harten Realitäten konfrontiert werden, dass ein Großbritannien außerhalb der Europäischen Union wirtschaftlich wesentlich schlechter dastehen wird."
Nicolai von Ondarza über die Premierministerin Theresa May
Die EU-Gegner in der Konservativen Partei drängen auf einen harten Brexit. Setzt die Regierung diesen um, dann treten wirtschaftliche Interessen ganz bewusst in den Hintergrund, meint Nicolai von Ondarza.
"Das kann funktionieren, aber nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einschnitten. Das britische Finanzministerium hat beispielsweise ausgerechnet, dass das Bruttosozialprodukt in Großbritannien bis 2030 bei diesem harten Brexit um 10 Prozent niedriger sein wird als ohne harten Brexit."
Nicolai von Ondarza
Brexit macht Schottland zum Verlierer
"Die britische Regierung hat sich entschieden, auf Konfrontation zu den Schotten zu gehen", sagt Nicolai von Ondarza über das Verhältnis zwischen London und den Schotten. Bisher habe Theresa May Schottland in die Verhandlungen nicht eingebunden, betont er - und ergänzt: Von einem harte Brexit wäre Schottland sehr stark betroffen. Trotzdem glaubt Nicolai von Ondarza nicht, dass es zu einem zweiten, diesmal erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendum kommt. Einer der Gründe: Schottland sei von der britischen Wirtschaft stärker abhängig als von der Wirtschaft im Rest der EU.
"Ich befürchte, dass die Schotten zu einem der vielen Verlieren in diesem Brexit-Prozess werden."
Nicolai von Ondarza über Schottland