Ende der Welt - Die tägliche Glosse Black Week
Der "Black Friday" ist erst der Anfang. Es folgt der "Cyber Monday" und – für das gute Gewissen – der "Giving Tuesday". Was uns zu der Frage führt: Welcher Tag ist eigentlich heute? Eine Glosse von Thomas Koppelt.
Es sind dunkle Zeiten. Und diese Woche sind sie besonders finster. Um nicht zu sagen: schwarz. "Black Week". Alles muss raus. Schnäppchenjäger streifen marodierend durch die Kaufhäuser. Erhöhte Verletzungsgefahr an den Grabbeltischen. Wer nicht mitshoppt, hat ein mulmiges Gefühl. Er könnte etwas verpassen. Das Sonderangebot der Woche. Den Preisknüller des Jahres. Vielleicht sogar das Schnäppchen seines Lebens.
Ich mache da nicht mit. Na ja, am Montag habe ich vorsichtshalber mal das Anzeigenblatt aus dem Treppenhaus eingesteckt. Da sind aber auch echt ein paar wirklich gute Angebote drin. Ein unschlagbar günstiger Wasserkocher zum Beispiel. Egal. Ich bleibe standhaft. Der "Black Friday" konnte mir nichts anhaben. Aber dann kam der "Cyber Monday" und meine Amazon-Liste wuchs.
Kurze Verschnaufpause am "Giving Tuesday". Und was muss ich heute lesen? Aus dem "Cyber Monday" ist mittlerweile eine "Cyber Week" geworden. Um gerüstet zu sein, habe ich mir die besten Angebote aus dem Anzeigenblatt rausgerissen und abgeheftet. Gestaffelt nach Rabattprozenten.
Moment, ich muss kurz einen Wasserkocher-Preisalarm im Netz programmieren...
Den Wasserkocher hol ich mir wahrscheinlich. Ich werde mürbe. Ertappe mich dabei, wie ich anfange, alte Werbemails zu studieren. Offensichtlich habe ich dieses Jahr beim "Singles Day" und den herbstlichen "Deal Days" bereits einiges verpasst. Für den heutigen Mittwoch hat der Einzelhandel seltsamerweise noch keinen verkaufsfördernden Namen gefunden. Ich schlage vor: "Weniger-Wednesday". Das lässt sich nächstes Jahr sogar steigern: "Noch-Weniger-Wednesday". Gefolgt vom "Thirsty Thursday", an dem Getränkehersteller saftige Rabatte auf Sommerdrinks gewähren. Das Zeug muss schließlich weg. Das ist, wie wenn der Küchenchef etwas empfiehlt. Da weiß man auch: Das Schnitzel wurde sicherheitshalber sehr gut durchgebraten.
Eigentlich habe ich ja schon einen Wasserkocher. Aber bei dem harten Wasser in München kann man ja darauf warten, dass er verkalkt. Besser vorsorgen. "Black Week". Was kommt da in Zukunft noch auf uns zu? Der "Dark Month"? Das "Gloomy Year"? Das "Shady Millennium"? Zum Glück sind Menschen der Wirtschaft nicht weitsichtig genug, in Äonen zu denken.
Moment, ich muss kurz einen Wasserkocher-Preisalarm im Netz programmieren... Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber früher war Einkaufen irgendwie entspannter. Da gab es zweimal im Jahr Schlussverkauf. Bald wird es wahrscheinlich Tagesschlussverkäufe geben. Beginn am frühen Nachmittag. Und vormittags überbrücken wir die Zeit beim Bäcker und kaufen das verbilligte Brot von gestern. Ha! Ich sehe gerade, dass es den Wasserkocher online noch einen Euro billiger gibt. Upps, nur noch zwei Stück verfügbar. Entschuldigung, da muss ich mich jetzt drum kümmern.