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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Café-Arbeitende

Einzug der Laptop-Elite ins Café: Wenn der Matcha Latte zum Büromittelpunkt wird und der WLAN-Ausfall zur Krise mutiert. Wie man trotzdem ein anständiger Gast bleibt? Nicole Hirsch hätte ein paar Tipps.

Von: Nicole Hirsch

Stand: 13.01.2025

Im Folgenden hören Sie ein Plädoyer für die Einhaltung von Mindest-Benimmregeln in der Gastronomie. Achtung, jetzt wird’s ein bisschen altmodisch. Es geht um Höflichkeit, Rücksichtnahme, Großzügigkeit, solchen Schnickschnack.

Wir wenden uns hier an alle, die zur Verrichtung dessen, was sie ihren Beruf nennen, lediglich ein Notebook plus stabiles WLAN brauchen und die deshalb gerne in Cafes abhängen. An alle, bei denen es wohl oft recht lange dauern würde, bis jemand bemerkt, dass sie, statt irgendetwas in ihre Tastatur zu hacken, nur am Matcha Latte schlürfen. An all die Future Lab Agents, Corporate Compliance Controller, Clickbait Optimizer da draußen.

Nicht angesprochen fühlen dürfen sich also jetzt diejenigen, die, Stand heute, im noch frischen Jahr 2025, wirklich gebraucht werden: Krankenpflegerinnen, Reinigungskräfte, Erzieher zum Beispiel.

Die Menschen mit den Laptop-Jobs, übrigens sind da auch viele dabei, die irgendwas mit Medien machen, die können theoretisch überall ihrer Tätigkeit nachgehen. Im Büro, daheim oder am gerade sehr beliebten sogenannten „dritten Ort“. Womit alle Locations gemeint sind, an denen man in Ruhe seiner, gerne auch bezahlten, Me-Time, frönen kann und wo weder quengelige Familienmitglieder noch kontrollsüchtige Vorgesetzte den flow stören.

Willkommen in einem beliebigen Tagescafe im Hipster-Viertel einer beliebigen deutschen Großstadt

Sondern wo im Idealfall nur ein paar andere Bullshit-Jobber dekorativ an bunt gebeizten Holztischen unter rostigen Industrielampen herumlümmeln. In Anwesenheit von prekär bezahltem Gastro-Personal, das allzeit bereitsteht, wenn das Wi-Fi nicht funzt oder es Beschwerden über den zu bitteren Matcha Latte gibt. Hey Liebes, kein Ding, ich mein nur, die Latte bei Euch war letzte Woche SO nice, und heute ist sie irgendwie, nicht böse gemeint, aber ich fühl die grad so gar nicht.

Willkommen in einem beliebigen Tagescafe im Hipster-Viertel einer beliebigen deutschen Großstadt.

Die Hälfte der Tische ist besetzt mit Leuten, die erstens keine energy haben, sich den Grüntee daheim selbst aufzugießen, oder die zweitens zu geizig sind, um sich einen Co-Working-Space zu mieten und oder die drittens gerade an DEM deutschen Gegenwartsroman schreiben.

Was grundsätzlich total in Ordnung geht. Muss ja auch jemand machen, den neuen Bestseller für die Sommer-Urlaubs-Lesezeit zusammen klopfen. Am besten irgendwas Autofiktionales mit einem Pool auf dem Cover. Oder einer rostigen Industrielampe. Passt.

WENN. Ja wenn die am Laptop Arbeitenden auch ihren Job als anständiger Gast respektive anständige Gästin erledigen würden. Heißt zum Beispiel, eine angemessene Menge an Getränken oder Nahrung bestellen, um das stundenlange Besetzen eines Cafe-Tisches zu rechtfertigen.

Und, ohaa, da wird es jetzt noch anspruchsvoller, vielleicht später, beim Bezahlen, nicht um zehn Cent aufrunden, sondern, wie es sich gehört, um zehn Pro-zent.

Und wer sich ärgert, wenn die Kellnerin höflich darum bittet, den 27-Zoll-Zusatz-Monitor doch bitte nicht am Tisch aufzubauen und nicht ganz so laut ins Headset zu schreien während des 60-minütigen Teams-Calls, oder wer es nicht verstehen kann, wenn die Servicekraft drei Stunden und ein Mineralwasser später den Tisch für neue Gäste frei gemacht haben möchte, dem sei hier noch ein kleiner Tipp gegeben:

Auch in der Bibliothek lässt es sich hervorragend abhängen. Den dünnen Kaffee im Plastikbecher muss man sich halt selbst am Automaten ziehen.


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