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Ende der Welt - Die tägliche Glosse CDU und der Palast in Türkis

Jetzt wissen wir endlich, was die CDU tief im Innersten umtreibt: Sie hat sich ja eine neue Parteifarbe verpasst und will künftig ganz in Türkis für sich werben. Bei den alten Griechen vertrieben sie damit die Bösen Geister, und moderne Farbpsychologen behaupten, Türkis helfe gegen Einsamkeit und übertriebene Emotionen. Mag sein, dass Friedrich Merz damit im Wesentlichen umschrieben ist, aber warum Generalsekretär Carsten Linnemann den Farbton als „Cadenabbia-Blau“ bezeichnete, erschließt sich wohl nur den Fans des Schweizer Psychiaters Carl Gustav Jung. Der soll mal gesagt haben: „Man wird nicht erleuchtet, indem man sich Lichtfiguren vorstellt, sondern indem man sich die Dunkelheit bewusst macht.“ Eine Glosse von Peter Jungblut.

Von: Peter Jungblut

Stand: 21.09.2023

Jetzt wissen wir endlich, was die CDU tief im Innersten umtreibt: Sie hat sich ja eine neue Parteifarbe verpasst und will künftig ganz in Türkis für sich werben. Bei den alten Griechen vertrieben sie damit die Bösen Geister, und moderne Farbpsychologen behaupten, Türkis helfe gegen Einsamkeit und übertriebene Emotionen.

Mag sein, dass Friedrich Merz damit im Wesentlichen umschrieben ist, aber warum Generalsekretär Carsten Linnemann den Farbton als „Cadenabbia-Blau“ bezeichnete, erschließt sich wohl nur den Fans des Schweizer Psychiaters Carl Gustav Jung. Der soll mal gesagt haben: „Man wird nicht erleuchtet, indem man sich Lichtfiguren vorstellt, sondern indem man sich die Dunkelheit bewusst macht.“ Diesbezüglich scheint die CDU auf einem guten Weg, und die Meinungsforscher helfen, wo sie können.

Um bei Carl Gustav Jung zu bleiben: Blautöne waren für ihn die Farben des Denkens, wobei Experten das kreisförmige Denken vom linearen Denken unterscheiden. Bei der CDU ist es wohl eher letzteres, da sich ihr Denken in „Cadenabbia-Blau“ schon lange nicht mehr um Angela Merkel dreht, sondern geradewegs zurückführt zu Konrad Adenauer, der in Cadenabbia am Comer See seine Sommerurlaube verbrachte.

Wer will, kann zusätzlich Sitzungsgelder oder Aufsichtsratsmandate stemmen, um die Rückenpartie zu stärken

Damit sind wir dann schon in den fünfziger Jahren angekommen, also im Sinne von Carl Gustav Jung im Reich der „Archetypen“, diesen seelischen Urviechern aus der fernen Vergangenheit, die uns angeblich alle unterbewusst heimsuchen, angetrieben von Mythen und Träumen. Im Grunde ist das nichts anderes als „Dunkle Energie“, die zu Wahnvorstellungen führen kann. Ja, die CDU entkam diesem Schicksal nicht, denn Generalsekretär Linnemann geriet mit seinem ganz persönlichen Archetypen vor der Presse förmlich in ein geistiges Handgemenge und pries neben dem „Cadenabbia-Blau“ auch noch das „Rhöndorf-Blau“ an, was auf die Grabstätte von Adenauer verweist.

Die CDU bewegt sich rein farblich also zwischen Wiedergeburt und Urschrei, gewürzt mit morgenländischer Meditation. Dafür produzierte die Partei ein Werbevideo, in dem ein Parlamentsgebäude mit Glaskuppel zu sehen ist. Wie sich herausstellte, handelte es sich allerdings nicht um das Berliner Reichstagsgebäude, sondern um den ehemaligen Präsidentenpalast von Tiflis in Georgien. Der wirkt dermaßen türkis, dass Einsamkeit und übertriebene Emotionen nicht mal mehr im November eine Chance haben. So wie es aussieht, strebt Friedrich Merz dort aus rein farblichen Gründen die absolute Mehrheit an. Womöglich will er mit Duldung von Petrol, Minze und Aquamarin regieren, was dem Ganzen eine exotische Note verleihen würde.

Menschen, denen Türkis am Herzen liegt, sollen übrigens perfektionistisch und egozentrisch sein, über Menschen, denen Georgien am Herzen liegt, ist nichts weiter bekannt, als dass sie Walnuss-Bällchen, Teigtaschen und Schaschlik bevorzugen. Der nächste Bundestagswahlkampf duftet schon mal verführerisch. Gönnen Sie sich den Wochenendtrip mit ihrem Archetypen nach Tiflis!


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