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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Innovativer Avocado-Scanner

Die neueste „innovative“ Idee eines Schweizer Lebensmittelhändlers ist ausgesprochen flauschig, um nicht zu sagen elastisch. Es geht um den Avocado-Scanner, der probeweise in zwei Supermärken eingeführt werden soll. Damit soll es möglich sein, den Reifegrad der Früchte berührungslos festzustellen. Klar, davon träumen auch alle Eltern, wenn es um den Reifegrad ihrer Früchtchen geht und alle Paare, die wissen wollen, ob ihr Alltag noch angenehm cremig oder schon richtig hart geworden ist. Mit so einem innovativen Scanner ließe sich außerdem der genaue Aggregatszustand von Bananen, Camembert und sogar Sixpacks ermitteln. Eine Glosse von Peter Jungblut.

Von: Peter Jungblut

Stand: 22.02.2024

Immer, wenn Politiker oder Wirtschaftsbosse von einem „innovativen Ansatz“ sprechen, holen erfahrene Zuhörer ja sofort ihre Schutzkleidung raus, weil sie wissen: Solche Worthülsen platzen gern unvermittelt und hinterlassen dann meist schlimmere Flecken als Rote Beete.

Gallseife und Zitronensäure mögen zwar gegen eingetrocknete Gedanken und lichtrandige Ideen helfen, aber wirklich innovative Konzepte gehen damit meist nicht mehr raus, schon gar nicht aus empfindlichen Materialien wie Parteiprogrammen, Pressemitteilungen und Werbebotschaften. Die laufen in hitzigen Debatten ja allesamt gern ein und vertragen eigentlich nur lauwarme Aufmerksamkeit. Hartnäckigen Innovationen kann die nichts anhaben und bei höheren Temperaturen fusseln „innovative Ansätze“ gern, denn bei ihrer Herstellung wird bekanntlich zwei- oder vierfädiges Gefasel verwendet, das im Alltag ähnlich anfällig ist wie Kaschmir und Mohair.

Ja, die neueste „innovative“ Idee eines Schweizer Lebensmittelhändlers ist ausgesprochen flauschig, um nicht zu sagen elastisch. Es geht um den Avocado-Scanner, der probeweise in zwei Supermärken eingeführt werden soll. Damit soll es möglich sein, den Reifegrad der Früchte berührungslos festzustellen.

Klar, davon träumen auch alle Eltern, wenn es um den Reifegrad ihrer Früchtchen geht und alle Paare, die wissen wollen, ob ihr Alltag noch angenehm cremig oder schon richtig hart geworden ist.

Die Scanner wird ja wohl kaum jemand um ihre Meinung fragen, obwohl gerade sie den größten Durchblick haben

Mit so einem innovativen Scanner ließe sich außerdem der genaue Aggregatszustand von Bananen, Camembert und sogar Sixpacks ermitteln. Gut, bei Letzteren ist der Bedarf an berührungsfreien Methoden vielleicht nicht ganz so ausgeprägt, aber auf Knopfdruck zu erfahren, ob das eigene Sonnengeflecht noch einigermaßen bissfest ist oder wegen Überlagerung schon runtergesetzt werden muss, ist doch zumindest ein Experiment wert.

Und das sind nur einige mögliche Anwendungsgebiete. Wetten, Friedrich Merz wird sich den Avocado-Scanner ausleihen, um den Reifegrad der Ampelkoalition zu ermitteln? Bisher musste er dazu ja immer den Händedruck von Christian Lindner prüfen oder an der Richtlinienkompetenz von Olaf Scholz herumfingern. Künftig könnte es reichen, berührungsfrei die Gesichter auf der Regierungsbank zu erfassen oder auch das Abstimmungsverhalten von Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Womöglich ist die FDP-Verteidigungspolitikerin noch härter als gedacht, quasi roh, was Putin sicher erheblich verunsichern würde.

Der erwähnte Supermarkt übrigens will seine Avocado-Scanner erst mal zwölf Wochen testen, bevor er sie flächendeckend anschafft. Die Frage ist, welche Erfolgskriterien gelten sollen und ob die Avocados oder ihre Käufer das letzte Wort haben werden. Die Scanner wird ja wohl kaum jemand um ihre Meinung fragen, obwohl gerade sie den größten Durchblick haben.

Das kann am Gemüsestand und in der Politik allerdings ein bitteres Schicksal sein, wie jeder weiß, der schon mal wurmstichige Äpfel oder nachgiebige Umfragewerte in der Hand hatte. Seien wir trotz alledem froh: Solange sie mit innovativen Ansätzen beschäftigt sind, haben sie keine Zeit für innovative Absätze. Die wären mit Sicherheit unbequemer.


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