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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Karohemd oder Charakter

LGBT - Lederhose, Gamsbart, Bluse, Trachtenrock – alles ist möglich in egal welcher Kombi. Das macht die Kleiderwahl für das Oktoberfest jedoch nicht leichter. Brauchtum oder Karneval, Edel-Designer oder Discounter? Vieles ist möglich, um sich der vorherrschenden Etikette zu unterwerfen, in modischer Mission unterwegs zu sein oder seinen ganz eigenen Stil zu finden. Eine Glosse von Ulrike Nikola.

Von: Ulrike Nikola

Stand: 27.09.2023

Eine letzte Runde Wiesn geht noch: Eine Woche und dann ist nächsten Dienstag wieder Schluss mit der Bierseligkeit auf dem Oktoberfest. Doch bis dahin stellen sich viele die beinahe existentielle Frage: Was ziehe ich an? Das bringt auch die Kanadier, Japaner, Italiener und die restlichen Touristen aus der ganzen Welt ins Grübeln: Soll´s wirklich die Krachledernde mit Stutzn sein für die Herren und Dirndl mit Trachtenhut für die Damen? Oder lieber alles durchmischen im Sinne von LGBT - Lederhose, Gamsbart, Bluse, Trachtenrock – alles ist möglich in egal welcher Kombi? Schließlich kann die Wiesn auch queer, nicht nur am Gay-Sunday und Rosl-Montag mit Latex-Dirndl und Pfauen-Look.

Doch zurück zur Kostümwahl für den Durchschnitts-Wiesn-Besucher: Wie viel hätten´s denn gerne? Darf´s lieber etwas mehr Brauchtum sein oder eher Karneval? Die einen richten sich nach der vorherrschenden Etikette, die anderen sind in modischer Mission unterwegs. Doch lohnt eine Investition beim Edel-Designer wirklich oder fällt die Discounter-Tracht im Gedränge eh niemandem auf? Für Pfennigfuchser bleibt noch der Kostümverleih. Allerdings ist der samt vorausschauender Reinigungsgebühr und Versicherungspolice auch nicht wirklich günstig, denn am Ende ist das Gewand von verschiedenen Flüssigkeiten und Körpersäften gar ruiniert.

Doch Vorsicht, liebe Frauen, nehmt eure Schürzen vor den Jägern in Acht. Denn die Dirndlschürze muss an der richtigen Stelle gebunden sein: Schleife vorne rechts heißt: Frau ist vergeben. Schleife links bedeutet: Freiwild! Wobei ab einer gewissen Konzentration des Alkohols im Blut wird eh alles zum Abschuss freigegeben. Und die Männer in den Tierhäuten am Bein sehen sich per se von der Aura des Animalischen umgeben, auch wenn sie den Hirsch für die Lederhose nicht selber erlegt haben.

Dem Diktat der sozialen Medien wird jegliche Individualität untergeordnet

Viel wichtiger ist heutzutage sowieso eher eine hohe Trefferquote auf Insta. Viele Likes und Herzchen für die volkstümliche Inszenierung. Dem Diktat der sozialen Medien wird jegliche Individualität untergeordnet. Dabei sein in der Masse der Wiesn-Doldies ist das, was zählt. Unter den eng gezurrten Korsagen schlägt längst kein freiheitsliebendes Herz mehr. Vorbei die Alt-68er, als die einengenden Ketten der Büstenhalter gesprengt wurden. Ähnliches gilt für die Hosenträger: Ohne sie kommt Mann deutlich weniger hemdsärmelig daher, wenn man das bei einem Trachten-Outfit überhaupt sagen kann. Die Unentschlossenen wählen daher halbherzig ein wahlweise grün, blau oder rot-kariertes Hemd und – laaaangweilig – eine Jeans. Auch wenn sowohl die Jeans als auch die Lederhose einiges gemeinsam haben und ursprünglich als Arbeitshosen dienten. Doch am Ende ist es ganz einfach: Man(n) muss sich entscheiden: Entweder Karohemd oder Charakter!


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