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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Lob des Bademeisters

Heute fehlen ja bundesweit 915 Bademeister, wie das Institut der deutschen Wirtschaft mitteilte. Schade drum, denn erstens müssen deshalb Schwimmbäder schließen, zweitens verlieren die Zehn-Meter-Türme viel von ihrem ursprünglichen Reiz, denn aus der Vogelperspektive wurde aus dem Bademeister ja regelmäßig eine Pfeife. Nach der allerdings wurde üblicherweise nicht getanzt, sondern gesprungen, was die ganze Freude auf rund 1,5 Sekunden beschränkte. Wagemutige werden bestätigen: Von der Wasserlinie aus sah der Schwimmmeister dann umso größer aus und mancher Wiederauftauchende entstieg dem Sprungbecken sogar buchstäblich im Schatten seiner Autorität. Eine Glosse von Peter Jungblut.

Von: Peter Jungblut

Stand: 24.08.2023

Es stimmt schon, unsere Erde ist ein Wasserplanet, aber vom Zehn-Meter-Brett sieht sie ganz anders aus: Da hat sie plötzlich erschreckend viel Beckenrand. Wer mal oben war, weiß, wovon die Rede ist. Außerdem nimmt die Erdanziehungskraft dermaßen zu, dass nicht wenigen das Herz in die Hose rutscht. Selbst durchtrainierte Schwimmer lassen im Kampf mit der Gravitation manchmal den Mut sinken, und die Risiken wiegen in der Höhe deutlich schwerer als die Chancen. Die Formel dafür erfahren Sie allerdings nicht im Physikunterricht.

Warum steigen die Leute also trotzdem rauf? Na klar, um den Bademeister schrumpfen zu sehen, damals, als er noch eine Respektsperson war. Heute fehlen ja bundesweit 915 Fachkräfte, wie das Institut der deutschen Wirtschaft mitteilte. Schade drum, denn erstens müssen deshalb Schwimmbäder schließen, zweitens verlieren die Zehn-Meter-Türme viel von ihrem ursprünglichen Reiz, denn aus der Vogelperspektive wurde aus dem Bademeister ja regelmäßig eine Pfeife. Nach der allerdings wurde üblicherweise nicht getanzt, sondern gesprungen, was die ganze Freude auf rund 1,5 Sekunden beschränkte. Wagemutige werden bestätigen: Von der Wasserlinie aus sah der Schwimmmeister dann umso größer aus und mancher Wiederauftauchende entstieg dem Sprungbecken sogar buchstäblich im Schatten seiner Autorität.

Grillexperten statt Bademeister

Wenigstens war das früher so: Heutzutage pfeift ja nicht selten die Bereitschaftspolizei, jedenfalls in manchen großstädtischen Freibädern, wo sich Teile des jugendlichen Publikums nicht mehr abkühlen, sondern lieber erhitzen wollen. Da braucht es dann natürlich auch keine Bademeister mehr, sondern eher Grillexperten. Jedenfalls sind die Vernehmungen nach Freibadkrawallen oft so schweißtreibend wie die Zubereitung von Nackensteaks. Womöglich sollte mancher jugendliche Unruhestifter zum Sprung vom Zehn-Meter-Brett verurteilt werden – wahlweise mit und ohne Gummi-Krokodilen im Becken. Die Erlebnispädagogik schafft ja Platz für viele Abenteuer.

Wer sich jetzt fragt, warum so viele Bademeister fehlen: Wenn schon das Chlor an seine Grenzen kommt, wie kürzlich im Freibad Mammendorf, wo die Becken wegen übermäßiger Schweiß- und Sonnencreme-Absonderungen umkippten, warum soll es dann das Fachpersonal auf den Schlappen halten? Es gibt offenbar Wasserproben, die beim Bademeister eine posttraumatische Belastungsstörung auslösen können. Betroffene gehen dann meist angeln, nicht selten jahrelang.

Hinzu kommen Herausforderungen, die dem Begriff Wasserwacht eine ganz neue Bedeutung verleihen, wie das Selbstbestimmungsgesetz, das die Bundesregierung gestern auf den Weg gebracht hat: Demnach sollen die Bademeister entscheiden, ob eine Transperson die Frauen- oder Männerumkleidekabine benutzen muss. Könnte also sein, dass Bademeister die sexuelle Identität ihres Publikums mit Regenbogen-Karten abgleichen und selbstständig entscheiden müssen, ob die Präferenzen der Person noch lila oder schon violett sind. Hauptsache, die Kacheln bleiben blau.


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