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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Nimm das Geld und verschwinde

Was ist Kunst? Trefflich lässt sich darüber streiten, so auch gerade in Dänemark, wo ein leerer Bilderrahmen im Museum hängt. In diesem Rahmen sollten sich eigentlich echte Euroscheine befinden, Wert: 66.000. Wenn da nicht der Künstler dem Werk den Titel gegeben hätte: Nimm das Geld und verschwinde“. Eine Glosse von Johannes Marchl.

Von: Johannes Marchl

Stand: 20.09.2023

Heute beschäftigen wir uns mit einer Frage, die sich wahrscheinlich die meisten von uns schon irgendwann mal gestellt haben: Nein, die Frage ist nicht: „Wieviel habe ich eigentlich noch auf dem Konto?“ – zu der kommen wir aber noch, später. Jetzt geht es erstmal um die Museumsfrage der Museumsfragen: Was ist eigentlich Kunst? Und es ist uns eindeutig zu langweilig, immer wieder über eine Fettecke von Beuys zu räsonieren. Deshalb wenden wir uns einem aktuellen Beispiel zu. Und begeben uns dazu ins Kunst-Museum Aalborg in Dänemark.

Dort sieht man auf Fotos interessierte Kunstverstehende vor einem leeren Rahmen stehen. Der dänische Künstler Jens Haaning hat das Werk abgeliefert, also den leeren Rahmen, und deshalb hat er jetzt – und damit sind wir bei der Kontofrage - 66.000 Euro mehr auf demselben.

Und jetzt wird es ein bisserl kompliziert: Das Geld ist eigentlich kein Honorar für ein Kunstwerk, die 66.000 Euro sollten eigentlich elementarer Teil des Werks sein. Der Auftrag war nämlich, dass Haaning eines seiner früheren Werke nachbilden sollte. Und im Original hatte Haaning da – das war 2007 - schön ordentlich Banknoten nebeneinander arrangiert und gerahmt. Und zwar 25.704 Euro. Genauso viel wie damals eine Österreicherin oder ein Österreicher im Schnitt verdient hat. Das Bild hatte den Titel „Ein durchschnittliches österreichisches Jahreseinkommen“.

Aber: zurück zum leeren Rahmen in Aarburger Museum

Nun ließe sich sicher trefflich darüber streiten, ob 51 Fünfhundert-Euro-Noten, eine 200 Euro Banknote und zwei Zwei-euro-Münzen Kunst sind. Garantiert ist auf jeden Fall der unmittelbare Bezug des Betrachters, der Betrachterin, denn jeder wird sich sofort in einen Dialog mit dem Kunstwerk begeben – Frage 1: Bin ich über oder unter dem Durchschnitt? Und Frage 2: Wenn ich die gerahmten Scheine jetzt klauen würde, würde ich besser damit fahren, es als Kunstwerk zu verhökern oder sollte ich einfach die Scheine nehmen und ein Jahr nicht arbeiten?

Aber: zurück zum leeren Rahmen in Aarburger Museum. Da ist unser wackerer Künstler Jens Haaning jetzt verurteilt worden, die 66.000 Euro zurückzuzahlen. Dieser weigert sich jedoch. Und ich kann ihm nur Recht geben. Denn zum einen hat ja der Museumsdirektor seine leeren Rahmen aufgehängt, mit der Begründung dieser hätte „einen humoristischen Ansatz“ gezeigt und sei “eine Reflexion“ darüber, „wie wir Arbeit wertschätzen“. Und zum anderen ist der neue Titel des Werks einfach genial: Haaning hat es nämlich umbenannt. Von „durchschnittliches österreichisches Jahreseinkommen“ in: „Nimm das Geld und verschwinde“!


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