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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Nimm fünf, zahl eins - Wenn Werbeslogans überinterpretiert werden

Kann man jemandem böse sein, der die 'Selbstbedienungskasse' wörtlich nimmt? Falls es einen Guinness-Buch-Rekord gibt für Möbeldiebstahl durch eine einzelne Frau, hätte die Dänin Chancen: gleich ein halbes Schlafzimmermobiliar hat sie mitgehen lassen. Der Arm des Gesetzes war jedoch noch stärker als ihrer… Eine Glosse von Heinz Gorr.

Von: Heinz Gorr

Stand: 04.08.2023

Täglich flattern uns die selbstlosen Angebote des Einzelhandels ins Haus, "Zahl zwei, nimm drei" oder so ähnlich, die zeitgenössische Variante des alten Slogans "Im Dutzend billiger".  Ob das schwedische Möbelunternehmen mit den vier Buchstaben unlängst eine derartige Werbung laufen hatte, wissen wir nicht. Jedenfalls hat eine junge Frau in der IKEA-Filiale im dänischen Aalborg ein halbes Schlafzimmer geklaut: ein ganzes Bett, einen Lattenrost, Decke, Bettbezüge und obendrein noch ein Sofa.

Dazu gehört schon einiges an Chuzpe, ganz zu schweigen von Kraft und Geschicklichkeit beim Abtransport all dieser Einrichtungsgegenstände, die manchen Damen locker zur Aussteuer gereichen würden. Vielleicht war ja alles nur ein Versehen, und sie hat einen der wenigen noch nicht anglifizierten Begriffe in unserer Alltagswelt zu wörtlich genommen und daher fehlinterpretiert?

Es handelte sich nämlich im vorliegenden Fall um eine Selbstbedienungskasse… Solche semantischen Ausrutscher gab es ja seit Erfindung des Eigentums: jeder Kaufhausdektektiv könnte Bücher füllen mit Tatumschreibungen in flagranti ertappter Ladendiebe, im ersten Affekt dürfte vermutlich das Wort 'Missverständnis' am häufigsten fallen... Und auch die internationale Rechtsgeschichte hat Kuriosa zu bieten, denken wir nur an die Tennislegende Boris Becker, als der in einem Londoner Nobellokal zum vermeintlichen Opfer dessen wurde, was die BILD-Zeitung später 'Samenraub' genannt hat…

Jeder TV-Kriminaler weiß: Es ist ein schwerer Fehler, an den Tatort zurückzukehren

Seit Otto Waalkes wissen wir, dass Däninnen nicht lügen, und so hat auch die Aalborger Bettendiebin vor Gericht nicht lange um den heißen Brei herumgeredet und gestanden: An der Selbstbedienungskasse habe sie nur wenige Artikel eingegeben und bezahlt, bevor sie mit dem ganzen Warenbestand im Wert von rund 1.500 Euro davonmarschiert ist. Zudem habe sie in einigen Hotels übernachtet, ohne die Rechnung zu begleichen. Da sie zeitweise obdachlos war und fast kein Einkommen hat, fiel das Urteil milde aus: neben den ausstehenden Möbel- und Hotelrechnungen muss die 22-Jährige ein Bußgeld von etwa tausend Euro berappen.

Doch wie hat man sie überhaupt geschnappt? Jeder TV-Kriminaler weiß: es ist ein schwerer Fehler, an den Tatort zurückzukehren. So wurde auch der jungen Frau zum Verhängnis, dass sie tags darauf nochmal in den Möbelladen ging, wo sie ein Sicherheitsmitarbeiter erkannte. Ihre Beweggründe dafür sind nicht bekannt, es könnte jedoch sein, dass sie - wie Millionen IKEA-Kunden vor ihr - einfach mit der Aufbauanleitung für das Bett nicht zurechtkam.


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