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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Seidenmangel in Rom oder muss das Kardinalsgewand immer rot sein?

Einundzwanzig Kardinäle werden am Samstag neu ernannt. Für den römischen Traditionsschneider Barbiconi eine logistische Herausforderung, ist doch die rot-orange Seide knapp geworden. Was steckt wirklich dahinter? Roland Söker hat die Story bis ans Ende der Welt recherchiert. Eine Glosse von Roland Söker.

Von: Roland Söker

Stand: 28.09.2023

Über das „Cadenabbia-Blau“ der frisch lackierten CDU, benannt nach dem Urlaubsort von Konrad Adenauer, sind alle Witze gemacht. Das Thema ist „durch“, wie man so schön sagt.

Doch jetzt deutet sich wenige Tage später der nächste Farb-Eklat an. Diesmal hat er sogar globale Ausmaße. Er betrifft gewissermaßen urbi et orbi. Und diesmal geht es um ein ganz spezielles Rot, leicht ins Orange changierend. Es ist die Farbe, aus der Kardinäle sind. Beziehungsweise, die Farbe der Seide, in der sich Kardinäle traditionsgemäß kleiden.

Nachdem die Nachfrage nach dieser Seide in den letzten Jahren überschaubar war, explodiert sie jetzt innerhalb kürzester Zeit. Am kommenden Samstag ernennt der Papst einundzwanzig neue Kardinäle. Und sofort nach Bekanntgabe setzte ein Run aus aller Herren Länder zum römischen Traditionsschneider Barbiconi ein. Der ächzt jetzt unter akutem Nachschubmangel.

Denn die neuen Kardinäle wollen nicht nur die Soutane sondern auch die dazu passenden Accessoires wie Schärpe, Scheitelkäppchen und Birett in dieser ganz speziellen Seide gefertigt haben. Eben im traditionellen Rot-orange. Nennen wir es – frei nach Carsten Linnemann an dieser Stelle „Castelgandolfo-Rot“, benannt nach dem Rückzugsort von Papst Benedikt, auch ehemaliger Seidenträger und Barbiconi-Kunde.

Was genau die Ursachen für die Lieferengpässe der Castelgandolfo-Seide sind, bleibt übrigens Betriebsgeheimnis des Traditionsschneiders. Er raunt etwas von Corona, aber sind nicht vielleicht ganz andere Machenschaften am Werk? Größter Seidenlieferant ist bekanntlich China – vielleicht will Xi Jinping die christlich-abendländische Kultur mal gehörig durcheinanderwirbeln? Projekt Neue Seidenstraße – na, klingt das nicht verdächtig?

Woher der Faden rot ist? Betriebsgeheimnis.

Oder gibt es vielleicht einen Fachkräftemangel unter rotspinnenden Seidenraupen? Ja, Sie haben richtig gehört, die Castelgandolfo-Seide wird nämlich nicht eingefärbt, sondern besteht aus roten Seidenfäden. Woher der Faden rot ist? Betriebsgeheimnis. Alles, was ich dazu finden konnte, ist, dass es Forschern aus Singapur 2011 gelungen ist, durch Beimischung von Farbstoffen ins Futter, die Seidenraupen zur Produktion von farbiger Seide zu bewegen. Aber wo hat Schneider Barbiconi vor dieser bahnbrechenden Entwicklung seine Castelgandolfo-Seide her bekommen?

Der Artikel über die Färbeforscher in Singapur wurde übrigens im Nachrichtenmagazin Der Spiegel veröffentlicht, dessen Titelfarbe dem Castelgandolfo-Rot verdächtig ähnlich ist, aber das nur am Rande. Sie können ja am kommenden Samstag mal vergleichen. Ich bin mir sicher, Barbiconi schafft es rechtzeitig mit den 21 Kardinalsgewändern. Wahrscheinlich ist die Ganze Seidenpanikmache nur ein PR-Gag, um mal im Ende der Welt erwähnt zu werden. Oder die pfiffigen Kardinäle sind auf die Idee gekommen, sich Second Hand einzukleiden. Oder sie wechseln mal die Farbe. Vielleicht nicht gerade zu Cadenabbia-Blau …


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