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Ende der Welt - Die tägliche Glosse Sein oder Nicht-Zusammensein

Mein Patenonkel hat bald 25-jähriges Zusammensein - also nicht Silberhochzeit, sondern Zusammensein, weil er ist mit seiner Lebensgefährtin zwar zusammen, aber nicht verheiratet. Und eigentlich sehen sie sich auch gar nicht so häufig, weil er oft an der Nordsee ist und sie noch arbeiten muss. Aber vielleicht ist das ja gerade das Geheimnis. Einfach nicht Zusammensein. Eine Glosse von Astrid Himberger.

Von: Astrid Himberger

Stand: 12.09.2023

Mein sehr geschätzter Patenonkel feiert demnächst sein 25-jähriges Zusammensein mit seiner ebenfalls sehr geschätzten Lebensgefährtin. Also nicht Silberhochzeit, sondern Zusammensein, weil sie sind halt nicht verheiratet, sondern zusammen.

Wobei bei denen das Interessante ist, dass die gar nicht so oft zusammen sind. Weil sie noch arbeitet und er bereits in Rente ist und sehr gerne viel Zeit ohne sie in einer Ferienwohnung an der Nordsee verbringt. Sie wiederum scheint es auch gar nicht zu stören, dass er nicht da. Manchmal allerdings sehen sie sich dann doch in ihrem Haus oder fahren auch mal zusammen in den Urlaub. Um dann aber sehr geschwind wieder nicht zusammen zu sein.

Ich finde das eine hervorragende Idee und denke mir, in meinem Leben könnte ich auch viel öfter mit Menschen nicht zusammensein. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich müsste zum Beispiel gar nicht währende der Schulzeit morgens um kurz vor sieben zusammen mit meinen Kindern am Frühstückstisch sitzen. Ich könnte das auch sehr gerne drei Stunden später allein in einem netten Café tun.

Oder mein Mann, den sehe ich ja auch wirklich oft, weil wir eben keine Ferienwohnung an der Nordsee haben und wir halt zusammenwohnen. Gut, andere Paare lösen das Problem des ständigen Beisammenseins durch konsequente Fernbeziehungen. Aber wenn man halt mal damit angefangen hat, zusammen an einem Ort zu wohnen, wo man arbeitet, kommt man da auch irgendwie schlecht wieder raus.

Home Office - das konsequente Nicht-Zusammensein mit den Kollegen und Kolleginnen

Apropos Arbeit und die Errungenschaft von Corona: das Home Office. Das ist ja das konsequente Nicht-Zusammensein mit den Kollegen und Kolleginnen. Oder halt eben nur im Computer – wo Kolleginnen und Vorgesetzte, Chefs oder Chefinnen auf die Größe eines Quadrates zusammenschrumpfen.

Allerdings hat das Homeoffice nicht nur Vorteile. Denn man ist zwar nicht mehr mit den Kollegen und Kolleginnen zusammen, aber dafür mit der eigenen Familie. Mit den Kindern oder dem ebenfalls im Homeoffice arbeitenden Mann. Was wiederum das Zusammensein mit dem Gatten immens erhöht, weil man dann ja sowohl während der Arbeit, als auch in der Freizeit zusammen ist. Und ob man als Ehepaar es dann bis zur Silberhochzeit schafft, ist doch eher fraglich.

Ich glaube, ich frage einfach mal meinen Patenonkel, wann er denn immer so an der Nordsee ist und ob ich da vielleicht auch mal hinkann, wenn er nicht da ist. Denn dann feiere ich vielleicht auch in 10 Jahren nicht nur meine Silberhochzeit, sondern auch unser 25-jähriges Zusammensein. 


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